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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua
Autoren: Charlotte Thomas
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Vergebens, denn die Kutsche wurde noch schneller, und das Rattern der Räder geriet zu einem Donnern, während das Gefährt bedrohlich schwankte und schließlich so stark in Schieflage geriet, dass es umkippte.
    Celestina spürte, wie sich die Kutsche unaufhaltsam zur Seite neigte. Dann erfolgte krachend der Aufschlag. Celestina versuchte instinktiv, sich irgendwo festzuhalten, konnte aber nicht verhindern, dass sie schmerzhaft mit ihrem Allerwertesten auf der Kutschenseite, die nun den Boden bildete, aufschlug. Zum Glück blieben ihr ärgere Blessuren erspart, denn unmittelbar darauf kam die Kutsche zum Stillstand. Leider traf dasselbe nicht auf Arcangela zu, die ebenfalls erdwärts purzelte und mit ihrem vollen Gewicht auf Celestina landete. Diese kämpfte sich mit zusammengebissenen Zähnen zwischen strampelnden Gliedmaßen und gebauschten Röcken hervor. Endlich gewann sie in der umgestürzten Kutsche einen aufrechten Stand, der sie in die Lage versetzte, sich zu orientieren.
    Arcangela jammerte und schimpfte, war aber allem Anschein nach unverletzt.
    Genau wie der Mann mit der goldfarbenen Samtweste, der eben noch versucht hatte, den Rothaarigen zu erwürgen und um ein Haar erschossen worden wäre. Er öffnete die nun zum Himmel weisende Tür der Kutsche und beugte sich ins Wageninnere.
    »Alles in Ordnung da drinnen?«
    »Es geht uns gut«, sagte Celestina.
    »Davon kann keine Rede sein!«, widersprach Arcangela.
    »Kommt, ich helfe Euch. Gebt mir die Hand, dann ziehe ich Euch heraus.«
    Er streckte die Hand aus, und Celestina, die ihm am nächsten war, ergriff sie, um sich ins Freie hieven zu lassen. Doch dazu kam es nicht, denn unversehens wurde ihr Helfer zurückgerissen, von dem Rothaarigen, der sich offenbar wieder hochgerappelt hatte. Er nutzte nun die Gelegenheit, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, und schlang erbittert beide Hände um den Hals seines Gegners.
    Daraufhin machte sich Celestina ungeachtet der lautstarken Proteste ihrer Stiefschwester daran, aus eigener Kraft aus der Kutsche zu klettern, was ihr nach einigen Mühen gelang. Sie ließ sich von einem der in die Luft ragenden Räder aufs Pflaster gleiten.
    Der Kampf auf der Piazza war immer noch in vollem Gange. Überall um sie herum wurde geprügelt, getreten, gefochten und gebrüllt. Celestina sah sich genötigt, mit zwei großen Sätzen einem messerschwingenden Raufbold auszuweichen, dem sie bei der Verfolgung eines flüchtenden Gegners im Weg stand.
    Der Kutscher war vom Bock des Wagens geschleudert worden. Er rappelte sich vom Pflaster hoch und kam mit schmerzverzerrter Miene zurück zum Gespann, um die schnaubenden Pferde von einem erneuten Durchgehen abzuhalten.
    »Seid Ihr verletzt?«, fragte Celestina.
    »Ich werd’s überleben.« Er packte die beiden Kutschgäule beim Zügel und redete beruhigend auf sie ein, bevor er über die Schulter zu Celestina sagte: »Was ist mit Eurer Begleiterin?«
    »Es geht ihr gut.«
    Das war leicht übertrieben, denn aus dem Wageninnern hörte man Arcangelas empörtes Zetern.
    Der Mann mit der goldfarbenen Weste rang immer noch mit seinem rothaarigen Widersacher, wobei es schien, dass diesmal der Jüngere die Oberhand gewann.
    »Diesmal kriegst du Saures, Bertolucci«, stieß er hervor.
    Bertoluccis Gesicht war rot angelaufen, die Augen quollen hervor, während der Rothaarige ihn aus Leibeskräften würgte. Doch Bertolucci hatte sein Pulver noch nicht verschossen. Er hieb dem anderen den Ellbogen in die Rippen, worauf dieser mit einem Ächzlaut zusammenknickte. Bertolucci, von dem Würgegriff befreit, hob einen Knüppel auf, wurde aber von einem lauten Schrei zurückgehalten. »Versuch es nur, Bertolucci!« Der große junge Mann mit der Pistole hatte wieder die Bildfläche betreten. Aus dem mistverschmierten Gesicht leuchteten seine Augen durchdringend blau. »Diesmal rettet dich kein durchgehendes Pferdegespann!« Mit gezückter Waffe trat er auf Bertolucci zu. Dieser warf sofort den Knüppel weg, der übers Pflaster rollte und vor Celestinas Rocksäumen liegen blieb.
    »Ich bin unbewaffnet, Timoteo Caliari. Siehst du?« Der Ältere hob beide Hände. »Du willst doch keinen unbewaffneten Mann erschießen, oder?«
    Das Gesicht des Schützen war starr vor Zorn. »Das fragt ausgerechnet ein Bertolucci? Wer von euch hatte denn je Hemmungen, einen hilflosen Gegner zu töten?«
    Er hob die Pistole und legte an. Celestina schien es, als zögere er, sie tatsächlich abzufeuern, doch in Anbetracht der Umstände
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