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Das Mädchen Ariela

Das Mädchen Ariela

Titel: Das Mädchen Ariela
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kibbuzim des Negev ein. Unsere Statistiker haben errechnet, daß die Darmerkrankungen zugenommen haben. Erbrechen, Schwindel, teilweise sogar Lähmungen. Noch ist es nicht alarmierend, noch ist man in den Kibbuzim nicht besorgt, aber alle Erkrankungen müssen mit dem Wasser zusammenhängen. Von den Pumpstationen wird nur reines Wasser durch die Leitungen geschickt. Ich habe das kontrolliert. Aber plötzlich sind Bakterien drin … mal dort, mal Kilometer weiter in einem andern Kibbuz. Es ist, als ob die Wasserleitungen an verschiedenen Stellen angebohrt und Bakterienlösungen hineingeschüttet würden. Um das herauszufinden, bin ich hier.«
    Er wollte weitersprechen, als vor dem Haupttor der Ruinenstadt ein staubbedeckter Jeep hielt und ein großer Mann in Uniform heraussprang. Er winkte von weitem Ariela zu. »Hallo! Hallo!«
    »Das ist ja Moshe! Wirklich, es ist Moshe!« Ariela winkte mit beiden Armen zurück und hüpfte wie ein kleines Mädchen auf der Stelle. Dr. Schumann sah ein wenig verwirrt dem Offizier entgegen, der mit langen Schritten herbeieilte. Ariela rannte ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und küßte ihn.
    Dr. Schumann überlief es heiß. Er spürte einen Stich im Herzen und biß die Zähne aufeinander. Ariela drehte sich um und rannte zu Schumann zurück.
    »Das ist Major Moshe Rishon«, rief sie. »Wir sind aufgewachsen wie Geschwister. Seit einem halben Jahr habe ich ihn nicht mehr gesehen. Nun ist er plötzlich hier. Ist das nicht wunderbar, Peter?«
    »Ja, das ist schön.« Dr. Schumann atmete auf. Der Druck verflog. Zum erstenmal in seinem Leben hatte er das schreckliche Gefühl verspürt, als zerreiße man ihn. Wie ich sie liebe, dachte er. O Gott, wie ich sie liebe. Was war mein Leben bisher ohne sie? Erst jetzt hat es einen Sinn.
    Major Rishon musterte den fremden Mann, nahm dann die Hacken zusammen und grüßte militärisch knapp. Er wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Als er vorhin durch die Funkstellung gefahren war, hinauf zum Tor der Ruinenstadt, hatte man ihm zugerufen: »Bleiben Sie, Major! Dort oben sind zwei Tauben, die schnäbeln wie im Frühling …« Da hatte er erst recht Gas gegeben und war wie ein Teufel in die tote Stadt gefahren. Nun stand er dem Mann gegenüber, der hier allein mit Ariela gewesen war.
    »Guten Tag, Major«, sagte der Mann freundlich.
    Moshe Rishon zog die Luft durch die Nase.
    »Sie sind Deutscher?« fragte er.
    Mit großen Augen sah Ariela von Rishon zu Schumann. Und plötzlich begriff sie, daß der Krieg nicht nur an den Grenzen aufmarschierte, sondern daß er schon begonnen hatte … hier zwischen ihnen, zwischen drei Menschen, von denen jeder eine eigene Sehnsucht hatte.
    »Ja«, sagte Dr. Schumann laut. »Ich bin Deutscher.«
    »Mein Großvater wurde in Maidanek vergast. Zwei Tanten starben in Theresienstadt. Meine Mutter nahm sich das Leben … sie wurde in Amsterdam wahnsinnig. Ich war damals noch ein kleines Kind.«
    »Das ist furchtbar«, sagte Dr. Schumann leise.
    »Es bleibt unvergessen.«
    »Als das damals geschah, muß ich vier oder fünf Jahre alt gewesen sein …«
    »Aber Sie sind ein Deutscher!« Major Rishon sah Ariela an. Seine dunklen Augen glühten. »Ich möchte dich mitnehmen nach Beersheba, Ariela. Komm …«
    »Nein!« Sie warf den Kopf in den Nacken, ergriff ihre kupfernen Haare, drehte sie zusammen und setzte ihren Stahlhelm auf.
    »Ich habe heute dienstfrei. Ab morgen früh sieben Uhr kann man mir wieder befehlen.«
    »Es ist kein Befehl, um Gottes willen, Ariela. Es ist eine Bitte. Dein Vater will dich sehen.«
    »Auch Oberst Golan kann über meine Freizeit nicht verfügen. Morgen bin ich in Beersheba.«
    Major Rishon wollte noch etwas sagen, aber die Haltung Arielas verschloß ihm den Mund. Er kannte sie zu gut … wenn die Falte zwischen den Augenbrauen erschien, gab es keine Diskussionen mehr.
    »Was machen Sie hier?« fragte er statt dessen Schumann.
    Seine Stimme war hell und schneidend.
    »Ich bin Arzt.«
    »In wessen Auftrag?«
    »Soll das ein Verhör sein, Major?«
    Rishons Augen wurden schmal. So blickt ein Adler, wenn er eine Maus sieht, dachte Schumann. Warum dieser Haß? Was habe ich ihm getan? Genügt es, Deutscher zu sein? Als seine Angehörigen getötet wurden, spielte ich im Sandkasten oder lernte das Abc. Gibt es denn nie eine Brücke zwischen den Völkern?
    »Es wird vielleicht einmal nötig sein, Sie zu verhören«, sagte Moshe Rishon. »Dann werden Sie weniger stolz sein und weniger preußisch!« Er
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