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Das Lied der schwarzen Berge

Das Lied der schwarzen Berge

Titel: Das Lied der schwarzen Berge
Autoren: Heinz G. Konsalik
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drei oder vier Monaten … vielleicht früher oder auch später.« Er wollte ihr von den Plänen erzählen, aber er schwieg. Was versteht sie davon, dachte er. Was weiß sie, wie eine Talsperre aussieht, was Turbinen sind, warum man das Wasser staut? »Aber ich komme wieder, das ist sicher«, sagte er laut.
    Sie nickte glücklich und reichte ihm den Becher Wein hinüber. »Trink, Ralf. Jetzt ist der Wein gut.«
    Als er den Becher aus ihrer Hand nahm, berührte er ihre Finger. Ein Zittern lief durch ihren Körper, sie schloß die Augen und lehnte sich zurück. Über ihr Gesicht zuckten die Flammen des Herdes. Es war, als brenne das schwarze Haar, als stiege sie aus dem Feuer empor. Er starrte sie an, gebannt von der wilden Schönheit, die sie ausstrahlte. Ihre langen Wimpern, durchfuhr es ihn … wie sie Schatten auf ihre Wangen werfen … Und der Mund, dieser rote, volle Mund … und der Hals, der in diesem rohen Leinenkleid verschwindet, als schäme er sich, so schön zu sein. Ihre Schultern, ihre Brust, der schlanke, biegsame Körper, diese unberührte, wilde und doch gebändigte Natur, dieses Urhafte an ihr – er fühlte, wie er die Hände ineinander verkrampfte und sich zwingen mußte, nicht vorzustürzen und sie an sich zu reißen. Ich bin Gast in diesem Hause, sagte er sich. Alles in diesem Hause steht unter dem Schutz des Gastrechtes! Alles ist unantastbar … rein … edel …
    Ralf nahm den Becher, setzte ihn an den Mund und stürzte den Wein in einem Zug hinunter. Er durchfuhr ihn mit seiner warmen Schärfe und wühlte sein Inneres auf.
    »Rosa …«, sagte er heiser.
    »Ralf …?« Sie hielt die Augen geschlossen. Ihre Stimme war nur mehr ein Flüstern, das ihn durch die zuckenden Flammen erreichte wie ein Hauch.
    »Der Wein ist gut.« Er stellte den Becher auf den Herdrand und beugte sich vor. Er ergriff ihre Hände und zog sie zu sich heran. Ihr Kopf folgte ihnen … in dem zuckenden Licht des Feuers waren ihre geschlossenen Augen plötzlich vor ihm, ihr Mund, ihre langen, schwarzen Haare, die wie ein Schleier über ihre Schultern flossen. Er umfaßte ihren Kopf und zog ihn zu sich heran. Und ihre Lippen öffneten sich und waren feucht und zitterten.
    »Erzähl mir von deiner Welt …«, sagte sie leise.
    »Sie ist weit, Rosa … so weit in diesem Augenblick. Sie ist nicht schöner als deine, glaube das nicht. Sie ist böser, eifersüchtiger, schneller, herzloser und vergessender – es ist eine Welt der Hast und der Jagd nach dem Geld und dem Ruhm und dem billigen Ansehen.«
    »Und das Meer …«
    »Kennst du das Meer, Rosa?«
    Sie schüttelte den Kopf in seiner Hand. »Nein – ich habe von ihm gehört … vor langen Jahren.«
    Sie öffnete die Augen und sah ihn mit einem flackernden Blick an. Angst war in diesen Augen und eine Hingabe, die Ralf wie eine heiße Welle überspülte. »Du hast so schöne blonde Haare«, sagte sie leise. »Ich habe nur einmal solche blonden Haare gesehen – damals, als ich hörte, daß es ein Meer gab. Es war vor vielen Jahren, und fremde Soldaten zogen durch unsere Berge, Soldaten aus deinem Land. Sie kamen vom Meer, von Dubrovnik, so nannten sie die Stadt. Wie gut ich den Namen behalten habe. Einer der Soldaten mit blonden Haaren schenkte mir etwas Braunes, Süßes … es schmeckte so schön, daß ich die Tafel in ganz kleine Stücke brach und jeden Tag nur ein Stückchen aß … Ich war damals ein Kind, und als die Soldaten gingen, wußte ich, daß es auch andere Menschen gab und andere Länder hinter unseren schwarzen Bergen. Und nun bist du da … ein großer Herr aus dieser fernen Welt, und trinkst unseren Wein, sitzt an unserem Feuer und schläfst auf unseren Fellen. Und du hast blonde Haare, ganz blonde Haare …«
    Ihre Finger tasteten über seinen Kopf und fuhren durch seine Haare, leicht, zart, wie ein Windhauch. Da ergriff er ihre Hand und preßte sie an seine Lippen, er küßte ihre Finger und beugte sich zu ihr hinüber, umfing ihre Schulter und drückte sie an sich. Sie lag an seiner Brust und zitterte. Wie ein gefangener Vogel in der geschlossenen Hand duckte sie sich zusammen und schmiegte sich an ihn.
    »Rosa«, sagte er heiser. »Rosa – was soll daraus werden …«
    Er merkte nicht, daß er in diesem Augenblick deutsch sprach, und sie lächelte ihn an und hob ihr Gesicht zu ihm empor. Da küßte er sie, vorsichtig, als könne sie in seinen Armen zerbrechen. Ein Zucken durchjagte ihren Körper, sie warf die Arme um seinen Hals und drängte sich an
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