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Das Lied der schwarzen Berge

Das Lied der schwarzen Berge

Titel: Das Lied der schwarzen Berge
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Entscheidung war; er war sich plötzlich klar darüber, daß es kein Zurück mehr gab, wenn die Tür aufschwang und die Nacht heller wurde als unter tausend Sonnen …
    Der Schritt, tappend, tastend, kam näher. An seiner Tür verhielt er … eine endlose Stille dehnte sich aus. Er starrte auf die Tür, er wartete auf den Augenblick, in dem sie sich bewegte, nach innen schwang und im Widerschein der Herdflammen die Gestalt Rosas erschien. Aber dann ging der Schritt weiter und verebbte in der Nebenkammer bei Fedor und Marina.
    Aufatmend ließ sich Ralf auf seine Felle zurückgleiten. Eine Leere blieb in ihm zurück, eine unerfüllte Sehnsucht, trotz der Befreiung, morgen früh Zabari verlassen zu können, ohne Fedor um das liebste, was er besaß – sein Kind – betrogen zu haben.
    Aber er schlief nicht ein. Er legte das Ohr an die geflochtene und mit Lehm beworfene Wand und lauschte auf das Rascheln in der Nebenkammer.
    Jetzt zieht sie das leinene Kleid aus, dachte er.
    Jetzt steht sie nackt im Zimmer, in der Dunkelheit, in der ihr Körper wie eine weiße Flamme brennen muß.
    Er hielt den Atem an und hörte ein Knirschen nahe der Wand.
    Jetzt legt sie sich hin, deckt sich zu mit den rauhen Decken aus selbstgesponnener Wolle, und ihr schwarzes Haar liegt um ihren weißen Leib, die langen lockigen Haare … Sie hat die Augen geöffnet und starrt an die Decke des Zimmers. Sie denkt an mich, sie drückt die Hände gegen ihre Brust, und die Sehnsucht durchrieselt sie und macht sie zu einem Tier, das hinaus möchte in das Leben, aber den Käfig nicht sprengen kann.
    Er preßte die Stirn gegen die kalte Wand und seufzte. So schlief er nach einer Weile ein und sank in sich zusammen, halb sitzend und eingehüllt in die Decke, die Rosas Hände gewebt hatten.
    Am Morgen war der Taumel vergessen. Der Fahrer und der Monteur standen schon mit dem Abschleppwagen vor der Tür und warteten. Ralf Meerholdt aß zum letztenmal eine Suppe aus Milch und Weizenmehl. Rosa war nicht im Haus. Fedor sagte, sie sei schon ganz in der Frühe in die Berge gegangen. Ralf nickte. Es ist gut so, dachte er. Sie ist klüger als ich. Sie kürzt den Abschied ab, sie rennt wie ein sterbendes Tier in die Einsamkeit und kommt erst zurück, wenn das Herz sich in der Stille ausgeschrien hat.
    Der Fahrer saß auf der Bank und rauchte eine Zigarette. Einige Jungen und Mädchen umstanden den Wagen und bestaunten ihn wie ein Wunder. Josef Lukacz, ein junger Bauer, drückte sich durch den Kreis der Neugierigen und rückte an seiner Schaffellmütze, ehe er zu sprachen begann.
    »Sag, Kamerad«, meinte er und zeigte auf den Wagen, »wenn dieses Auto den Wagen des Herrn trägt, dann kann es doch auch Stämme tragen.«
    »Der trägt dir in einem Tag einen ganzen Wald weg!« sagte der Fahrer.
    »Und Steine auch?«
    »Er schleppt alles weg! Mit dem Wagen könntet ihr alles machen!«
    »Und er kann die steilen Wege hinauffahren?«
    »Wären wir sonst hier? Steiler als bis zu euch kann's woanders auch nicht sein …«
    Josef Lukacz kratzte sich den Kopf. In seine Augen trat eine gespannte Erwartung. »Warum ist der Herr denn hier?« fragte er und rückte näher.
    »Weiß ich es?« Der Fahrer warf die Zigarette fort und erhob sich. »Vielleicht soll bei euch in der Nähe gebaut werden! Wir sind eine Baukolonne aus Zagreb.«
    »Aus Zagreb …«, staunte Lukacz. Er umging den Wagen, betastete die eisernen Kanten, das Blech der Verkleidungen und die silbern blitzenden Stoßstangen. »So ein Wagen wäre etwas für unser Dorf«, sagte er sinnend. Dann ging er durch den Kreis der Neugierigen zurück und verschwand hinter einem Haus. Der Fahrer sah ihm nach und tippte an seine Stirn. Der Monteur lachte.
    »Verrückt!« meinte er. »Die hätten den Motor in einer Stunde zu Bruch gefahren.«
    Aus dem Hause trat Ralf Meerholdt. Marina trug ihm den Mantel und seine schwere Tasche nach, die ihr der Monteur abnahm. Stolz schritt Fedor neben Ralf zum Wagen und reichte ihm die Hand, als sie vor der Tür standen.
    »Ich danke dir, Fedor Suhaja«, sagte Meerholdt. »Ich war sehr zufrieden mit deinem Haus.«
    »Das freut mich, Herr. Vergiß uns nicht.«
    Meerholdt sah den Alten erstaunt an. Vergiß uns nicht, durchfuhr es ihn. Sollte er wissen, daß ich Rosa küßte? Sollte er wachsamer gewesen sein, als ich glaubte?
    »Ich werde wiederkommen«, sagte er vorsichtig.
    »Das weiß ich, Herr.«
    »Du weißt es? Woher?«
    »Von Rosa, Herr. Sie ist ein braves Kind …«
    Ein unbekanntes,
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