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Das Lied der schwarzen Berge

Das Lied der schwarzen Berge

Titel: Das Lied der schwarzen Berge
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bauern Fruchtbarkeit aus ihrem Boden zu zaubern durch das Wunder des belebenden Wassers. Aus einem armen Land soll ein reiches werden, aus Felsen Gärten, aus wilden Weiden wogende Felder. Das hat man alles geplant, das steht alles so schön in den Plänen, das habe ich selbst gezeichnet, in einem weißen Kittel an einem großen Zeichenbrett stehend, Lineal und Zirkel vor mir, und auf dem weißen Transparentpapier entstanden die Dämme der Stauwerke, die Turbinenhäuser, die Staubecken …
    Eine neue Welt wurde auf dem Papier geschaffen, Leben für eine neue Nation; Bergbäche wurden eingefangen, Wildwasser gebändigt, die Kraft, die durch die Schluchten Montenegros strömt, wurde eingepreßt in ein Korsett aus Beton, Stahl und Stein …
    Wie wunderbar das alles aussah in den Zeichnungen und auf den kolorierten Pausen, die auf den Mahagonitischen der Direktoren und der Ministerien lagen und begutachtet wurden.
    »Dieser Staudamm wird jährlich soundsoviel Millionen Kilowattstunden Strom bringen!« sagte man.
    »Und dieser Damm dort – eine Spezialidee von Herrn Meerholdt – wird neben Strom auch durch Überlaufbecken soundsoviel Hektar Land, Ödland, in saftige Weiden verwandeln.«
    Die Minister nickten, die Direktoren rechneten, die Pläne wurden ein Teil der Jahresplanung. Herr Meerholdt – suchen Sie selbst die Stellen, an denen Sie die Staudämme bauen wollen! Suchen Sie selbst … und ein dummer, ein gemeiner Achsenbruch, ein kleiner Knacks zwischen den Hinterrädern, und der ganze Traum ist zunächst zerstört!
    Ralf erhob sich von seinem Stein und rief noch einmal »Hallo!«, obgleich er wußte, daß niemand antworten würde. Er stieg den Pfad hinab zu seinem kleinen Wagen, warf ihm einen vernichtenden Blick zu und setzte sich wieder hinter das Steuer. Er schaltete die Zündung ein und legte die Hand auf die Hupe. Es war eine gute, eine laute Hupe, ein Doppelklanghorn, das grell und doch melodisch die Stille zerriß und einen Hauch von Leben in die kahlen Felsen brachte.
    So saß Ralf eine Viertelstunde und ließ die Hand auf dem Hupenknopf. Schließlich ärgerte ihn der gleichbleibende Ton, und er begann, auf der Hupe rhythmisch zu drücken. Lang-kurz-lang-kurz-kurz-kurz-lang-kurz-kurz … er lächelte vor sich hin und versuchte, den Takt eines Foxtrotts nachzuahmen, eines Walzers, eines Tangos, einer Polka, bis er nach einer halben Stunde das Spiel aufgab und sich eine neue Zigarette anzündete. Dabei drehte er sich ein wenig im Sitz und erstarrte. Oberhalb von ihm, auf einem Felsvorsprung, stand ein Mensch! Ein Mensch! Ein richtiger Mensch mit einem Lammpelz um den Schultern und einer hohen Schafwollmütze auf dem dicken Schädel. Den runden Kopf mit der gebogenen Nase zierte ein langer Schnurrbart, der kraus über den Mund herabhing. Er sah zu Ralf herunter, ohne sich zu rühren, ohne ein Zeichen zu geben, daß er den kleinen Wagen auf dem engen Pfad überhaupt gesehen habe.
    Ralf warf die Zigarette fort und drückte noch einmal auf die Hupe. Sie gellte auf – doch der Mann auf dem Felsen blieb stehen, unbeweglich, und sah hinab.
    »He!« schrie Ralf und winkte mit beiden Armen. »Sind Sie taub und blind?« Doch kaum, da er es gerufen hatte, schüttelte er den Kopf. Dummheit, dachte er. Wer versteht hier denn Deutsch? Hier spricht man serbokroatisch, und das wenige, was ich davon kann, muß genügen.
    »Komm 'runter!« brüllte er zu dem Mann hinauf. »Mein Auto hat einen Bruch! Komm her, Kamerad!«
    Der Mann auf dem Felsen antwortete nicht. Er trat zurück und entschwand den Blicken Ralfs. Aber nach etwa 10 Minuten hoffnungsvollen Wartens kam er um die Biegung des Pfades und blieb drei Schritte vor Ralf stehen. Er musterte ihn mit seinen tiefliegenden Augen und nickte. Das soll guten Tag heißen, dachte Ralf und nickte freundlich zurück.
    »Wagen kaputt!« sagte er und zeigte auf die zerbrochene Hinterachse. »Führe mich ins nächste Dorf, Kamerad.«
    »Ich bin Jossip, der Schäfer.« Der Mann hob die Hand, sie war gegerbt von Wind und Sonne. »Jossip hat kein Dorf. Er zieht mit seiner Herde …«
    »Ist denn ein Dorf in der Nähe?«
    »Das Dorf Zabari, Herr.«
    »Wie weit?«
    Jossip hob die Schultern. »Sehr weit. Man geht bis zum Abend …«
    »Auch das noch!« Ralf Meerholdt setzte sich auf den vorderen Kotflügel des Wagens und hielt dem Schäfer Jossip seine Schachtel Zigaretten hin. Jossip trat näher, er betrachtete die Schachtel und schüttelte den Kopf.
    »Was willst du hier?« fragte er
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