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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)
Autoren: M. L. Stedman
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erwiderte Tom und betrachtete das Wasser, das sich inzwischen seehundgrau verfärbt hatte und höhere Wellen schlug.
    »Ich war noch zu jung, und Ma hat mir nicht erlaubt, mich als älter auszugeben, damit ich mich freiwillig melden kann. Und ich habe gehört …«
    Tom blickte ihn an und zog fragend die Augenbrauen hoch.
    »Nun, ich habe gehört, dass Sie einen Orden gekriegt haben«, platzte Bluey heraus. »Angeblich steht es in Ihren Entlassungspapieren – in Ihrer Bewerbung für die Stelle auf Janus.«
    Tom starrte weiter aufs Wasser hinaus. Bluey wirkte erst enttäuscht, dann verlegen. »Ich bin wirklich stolz, sagen zu können, dass ich einem Helden die Hand geschüttelt habe.«
    »Ein Stück Messing macht niemanden zum Helden«, entgegnete Tom. »Die meisten Kameraden, die wirklich einen Orden verdient gehabt hätten, sind nicht mehr am Leben. Also würde ich an Ihrer Stelle nicht zu viel Aufhebens darum machen, mein Junge.« Mit diesen Worten drehte er sich um und studierte noch einmal die Karte.
    »Da ist sie!«, rief Bluey aus und reichte Tom das Fernglas.
    »Ihr Zuhause für die nächsten sechs Monate«, fügte Ralph hinzu und kicherte.
    Tom betrachtete durch das Fernglas die Landmasse, die aus dem Wasser aufzutauchen schien wie ein Meeresungeheuer. Die Klippe auf der einen Seite war der höchste Punkt. Von dort aus fiel die Insel bis zum gegenüberliegenden Ufer sanft ab.
    »Der alte Neville wird sich freuen, uns zu sehen«, fuhr Ralph fort. »Es hat ihm nicht sehr gefallen, dass man ihn aus dem Ruhestand geholt hat, um für Trimble einzuspringen, das kann ich Ihnen versichern. Dennoch. Einmal Leuchtturmwärter … Kein Mann, der diesen Beruf ausübt, würde einen Leuchtturm unbesetzt lassen, auch wenn er sich noch so bitterlich beschwert. Aber ich warne Sie. Als fröhlichen Zeitgenossen würde ich ihn nicht gerade bezeichnen. Ziemlich wortkarg, unser Neville Whittnish.«
    Der Anlegesteg ragte gute dreißig Meter ins Meer hinein und war verstärkt, um auch den höchsten Wellen und den heftigsten Stürmen trotzen zu können. Die Seilwinde war bereit, um die Vorräte den steilen Hang hinauf zu den Nebengebäuden zu ziehen. Als sie anlegten, wurden sie von einem mürrischen, faltigen Mann von Mitte sechzig erwartet.
    »Ralph, Bluey«, begrüßte er sie mit einem knappen Nicken. »Und Sie sind der Ersatzmann«, lauteten seine Worte an Tom.
    »Tom Sherbourne. Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, erwiderte Tom und hielt ihm die Hand hin.
    Der alte Mann betrachtete sie eine Weile verdattert, bis ihm endlich einfiel, was die Geste zu bedeuten hatte, und er kurz daran zog, als wolle er ausprobieren, ob der Arm auch halten würde. »Hier entlang«, sagte er. Ohne abzuwarten, bis Tom seine Sachen eingesammelt hatte, machte er sich an den Aufstieg zum Leuchtturm. Es war früher Nachmittag, und nach so vielen Stunden auf dem Meer brauchte Tom einen Moment, um sich an den festen Boden unter den Füßen zu gewöhnen, als er nach seiner Tasche griff und dem Leuchtturmwärter auf wackeligen Beinen folgte. Unterdessen schickten sich Ralph und Bluey an, die Vorräte auszuladen.
    »Das Leuchtturmwärterhaus«, verkündete Whittnish, als sie sich einem niedrigen Gebäude mit Wellblechdach näherten. Dahinter waren drei große Regentonnen aufgereiht, und daneben standen einige Schuppen, um Vorräte und Ersatzteile für den Leuchtturm zu lagern. »Sie können Ihre Tasche in den Flur stellen«, sagte er und öffnete die Eingangstür. »Wir haben noch viel zu erledigen.« Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und steuerte schnurstracks auf den Leuchtturm zu. Er war zwar nicht mehr der Jüngste, aber ausgesprochen gut zu Fuß.
    Später, als der alte Mann vom Leuchtturm erzählte, änderte sich sein Tonfall, als ginge es um einen treuen Hund oder eine Lieblingsrose. »Sie ist nach all den Jahren noch eine Schönheit«, meinte er. Der Leuchtturm aus weißem Stein hob sich wie ein Stück Kreide vom bleigrauen Himmel ab. Er war vierzig Meter hoch und stand in der Nähe der Klippe am höchsten Punkt der Insel. Tom war nicht nur davon beeindruckt, dass er so viel höher war als die anderen Leuchttürme, in denen er gearbeitet hatte, sondern auch von seiner eleganten, schlanken Form.
    Hinter der grünen Tür sah es mehr oder weniger aus wie erwartet. Man konnte den Raum mit wenigen Schritten durchmessen, und das Klacken ihrer Schuhe wurde wie Querschläger von dem grün lackierten Boden und den runden weißen Wänden
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