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Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Titel: Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)
Autoren: Oliver Plaschka
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eine Feuerstelle. Sie war schon kalt, doch daneben, auf ein paar Tannenzweigen, die ihnen als Kissen gedient haben mochten, fand er ein blondes Haar.
    Am frühen Nachmittag begann es dann zu nieseln, und die Feuchtigkeit verwischte alle Spuren. Erst dachte er sich nichts dabei, schließlich war es Herbst. Er sorgte sich auch nicht, die Spur zu verlieren, denn er sah noch immer den Stern, fast noch heller jetzt, trotz der trüben Decke über der Welt. Der Nieselregen aber dauerte an, ohne auch nur einen Deut zu- oder abzunehmen, und er laugte ihn aus wie ein sturer Musiker, der immer nur denselben Ton übt. Dann verließ Janner den Wald und sah, dass es nur in einem schmalen Korridor von etwa einer halben Meile Breite regnete.
    »Netter Versuch, Zauberer«, murmelte er und folgte weiter seinem Stern.
    Die Sonne ging unter, und der Nieselregen wurde zu Graupel. Janner warf sich Zeonas Fell um und ritt weiter, bis sein Pferd nicht mehr konnte. Deshalb, und weil er gesehen hatte, was Sarik in Gull mit den Soldaten angestellt hatte, hielt er unter dem Dach eines verlassenen Schuppens, in dessen Nähe wilde Apfelbäume wuchsen. Dort machte er ein Feuer, aß ein paar Äpfel und fragte sich, ob sie schon die Grenze überquert hatten, und was Sarik vorhatte. Der Stern stand nach wie vor im Süden und veränderte die ganze Nacht nicht seine Position.
    Während der Nacht kam ein Sturm auf, und das Feuer erlosch, sodass Janner durchgefroren und schlotternd erwachte und sofortaufbrach. Schon zum Vormittag aber stiegen die Temperaturen stark an, ein warmer Südwind trieb ihm den Schweiß aus den Poren, und zum Mittag riss die Wolkendecke auf und eine Sonne, die viel zu warm für diese Jahreszeit war, brannte ihm auf die Stirn. Er durchquerte zwei gebrandschatzte Dörfer. Zwar hatte er den Eindruck, dass sie nicht völlig verlassen waren, doch die Bewohner hielten sich vor ihm versteckt. Er konnte es ihnen nicht verübeln. Wahrscheinlich, dachte er, als er seinen Mantel ablegte und sein Hemd lockerte, trauten sie dem Wetter nicht, das er mitbrachte.
    Sein Stern führte ihn weiter, in Richtung eines weiteren, größeren Waldes jenseits einer weiten Fläche verdorrten Ackerlands. Aus dem, was er von Zeona und April über Sarik und seine Reisegewohnheiten wusste, schloss er, dass der Zauberer den Schutz der Bäume suchte. Anscheinend wollte er so tief wie möglich in einen Wald, um dort die Pforten in sein magisches Reich zu öffnen, wohin Janner ihm wahrscheinlich nicht folgen konnte. Wenn es sich so verhielt, dann hoffte er bloß, dass der Leitstern, der auf ihn wies, Sarik irgendwie daran hinderte. Wenn er diese letzte Grenze überschritt, war es zu spät.
    Das Wetter schien seiner Vermutung recht zu geben. War es bisher lediglich lästig oder vielleicht eine Warnung gewesen, wurde es im Laufe dieses zweiten Tags grausam und wütend. Mehrere Staubteufel umkreisten ihn auf den Feldern und rotteten sich dann wie Wölfe am Waldrand zusammen. Er wickelte sich ein Tuch vor den Mund und ritt weiter, aber sein Pferd bekam Sand in die Augen und weigerte sich, weiterzugehen. Fluchend stieg er ab und warf sich das Schwert und die Satteltaschen über die Schultern. Schlagartig fiel die Temperatur um fünfzehn oder zwanzig Grad, und Hagelkörner, so groß wie Kastanien, prasselten vom Himmel. Sein Pferd ergriff die Flucht, Janner aber eilte im Schutz der Taschen unter die Bäume. Der Hagelsturm verschwand ebenso plötzlich, wie er gekommen war.
    »Ein letzter Regen«, knirschte Janner. »Ein letzter Sonnenschein,von wegen.« Dann hob er die Stimme und rief in den Wald hinein: »Hörst du mich, du verlogener Feigling? Ich bin noch da!«
    Kurz darauf zog Nebel auf.
    Fluchend kämpfte sich Janner voran. Wenn Sarik noch einmal etwas Ähnliches im Repertoire hatte wie das Grauen, das die Gefängnisinsel heimgesucht hatte, dann hatte er ein echtes Problem. Doch der Nebel griff nicht nach ihm und drohte auch nicht, ihn zu verschlingen. Stattdessen glaubte er ein ums andere Mal bleiche Gestalten in ihm zu erkennen, die ihn anklagend verfolgten. Derril und Horb waren da, und Niesel und Farnstein, und ein paar von Krayns Männern; und zuvorderst Cassiopeia, die Tante Mirabelle bei der Hand hielt, die Tränen in den Augen hatte und ihn rief. Tante Mirabelle war am schlimmsten.
    Er zog Banneisen aus seiner Scheide und schwang das große Schwert um sich wie eine Fackel, auch wenn ihm bald der Arm weh tat, und schrie eine Menge schwachsinniges Zeug, um sich
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