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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels
Autoren: Victoria Hanley
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des Tempels brechen und herausfinden, was Renchald geschrieben hatte.
    Ehrfurchtsvoll bückte sie sich und nahm die rote Feder auf. Ich werde dich immer in Ehren halten, du liebe, vom Kardinal erwählte Prophetin.
     
    Die Gilgamelltruppe erfüllte die Kuppelhalle des Palasts mit Musik, um die Nachricht zu feiern, dass Prinzessin Zorienne leben und dereinst Sorana regieren würde.
    So sehr Bryn sich auch freute, weil Selids Prophezeiung übergeben werden konnte, so wenig konnte sie das gleich starke Gefühl von Traurigkeit abschütteln. Der Anblick der Feder des roten Kardinals, die auf dem Boden landete, hatte eine schreckliche Angst in ihr ausgelöst. Das Gesicht der Ersten Priesterin, als sie die Feder aufhob, und die Art, wie sie dann die Feder wie eine Blume zum Gedenken an eine Tote hielt, hätten Bryn am liebsten in Tränen ausbrechen lassen.
    Sie sehnte sich von hier fort.

 
25
     
    Tage später auf der Landstraße nach Norden in Richtung Zornowel sagte Brock zu Kiran: »Wir sollten bald mal anhalten und uns etwas ausruhen, Stuko.«
    »Die Sonne steht noch hoch«, gab Kiran zu bedenken.
    In diesem Augenblick fing Jack wie wild an zu bellen und stürmte davon. »Komm!«, rief Kiran Brock zu. Lauf, Obsidian! Der Hengst galoppierte los. Hinter ihnen donnerten die Hufe der weißen Stute. Als sie um eine Kurve bogen, konnten sie gerade noch rechtzeitig die Pferde zurückhalten, um nicht in eine Gruppe von Reitern zu prallen, angeführt von der Ersten Priesterin. Mit ihr ritt eine Abteilung der Tempelwache, deren goldrote Zeichen auf den Brustplatten die Sonne widerspiegelten. Jack schoss zwischen ihnen durch.
    In ihrer Mitte hing Clea auf ihrem Sattel. Aufmerksam blickte Kiran sie an. Auf der Stirn hatte sie einen Einstich und sie trug einfache Kleidung. Ihre blauen Augen glühten vor Zorn und um ihren Mund lag ein bitterer Zug. Sie schwieg.
    Ilona beugte sich im Sattel vor, ihre dunklen Augen voller Fragen.
    Jack erschien wieder und schlängelte sich zwischen den Pferden der Wache hindurch, dicht gefolgt von Bryn.
    Kiran sprang von Obsidian. Bryn streckte ihm zur Begrüßung beide Hände entgegen und er ergriff sie. Ihre Augen leuchteten wie goldenes Feuer.
     
    Ilona wählte ein Gasthaus aus, in dem sie alle übernachten konnten. Avrohom bestand darauf, dass sich die Gruppe von Freunden in seinem Zimmer versammelte.
    »Ihr auch, Erste Priesterin. Wahre Geschichten hört man am besten als Lied, aber bevor sie zu einem Lied werden können, müssen sie erzählt werden.«
    Auf diese Weise erfuhr Bryn von Kiran, wie Selid gestorben und Kiran verflucht worden war. Davon hatte ihr die Erste Priesterin nichts erzählt. Als sie hörte, wie Selid gestorben war, senkte Bryn den Kopf. Tränen erfüllten ihr Herz. Die vom Kardinal erwählte Prophetin hatte wirklich ihr Blut für Sorana gegeben.
    Ein sanfter Windhauch umspielte Bryn und eine sanfte Stimme sprach in ihrem Kopf: Sei nicht traurig. Ich gehe mit Monzapel und Lance ist bei mir.
    Brock erzählte dann, wie sich der Meisterpriester mit Keldes verbunden hatte. Beim Zuhören empfand Bryn wütenden Triumph gepaart mit einer Spur von Traurigkeit. Renchald hatte gefälschte Prophezeiungen für Königin Alessandra geschrieben, sich mit Errington verschworen, um die Herrschaft von Prinzessin Zorienne zu verhindern, und er hatte Kiran dazu getrieben, paarweise mit Clea zu prophezeien. Er hatte befohlen, Selid zu töten und Kiran mit einem Fluch zu belegen. Für solche Verbrechen, besonders aber für den entsetzlichen Mord an Selid und Lance, schien der Tod unter den Hufen eines tapferen Pferdes nur angemessen.
    Doch er war es auch gewesen, der sie aus dem trostlosen Leben in Uste herausgeholt hatte. Durch ihn hatte sie ihre Ausbildung im Tempel erhalten, hatte die Herrlichkeit des Lichts des Orakels erfahren, Dawn, Jack und Obsidian, Alyce, Jacinta, Willow und Brock kennen gelernt, die ihr Freunde fürs Leben sein würden.
    Und sie war Kiran begegnet. Er saß ihr gegenüber und das Feuer beleuchtete seine zimtbraunen Augen.
    Nun war Renchald tot. Sie fragte sich, welcher Priester wohl seinen Platz einnehmen würde. Sie blickte zur Ersten Priesterin, um zu sehen, wie diese wohl die Neuigkeiten aufnahm, doch Ilonas Gesichtsausdruck war nicht zu deuten.
    Avrohom erzählte, was im Palast vorgefallen war, und Kiran betrachtete ihn aufmerksam. Als er seinen Bericht damit schloss, dass es Prinzessin Zorienne bereits nach einer Nacht in einem anderen Schlafzimmer besser ginge,
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