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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels
Autoren: Victoria Hanley
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früher passiert … das passiert nicht jetzt!«
    Es war nicht zu fassen, Kiran schien ihn zu verstehen. Er hörte auf, sich stöhnend herumzuwälzen, schloss die Augen und rollte sich von Erringtons Stiefeln weg.
    Keldes, Herr des Todes, du musst Kirans Leben einfordern!, dachte Renchald flehend.
    Plötzlich hörte der Meisterpriester das Donnern von Hufen. Als er sich umblickte, sah er rund ein Dutzend Pferde, die, Obsidian vorneweg, über den Weidezaun sprangen.
    Kiran, er spricht mit den Pferden.
    Renchald rief den Gott des Vogels an, der ihn erwählt hatte. Keldes, ich habe dir gut gedient. Hilf mir jetzt!
    Die Pferde galoppierten direkt auf die Wachen zu und schlossen sie ein. Die Männer befahlen ihnen schreiend anzuhalten, aber die Pferde achteten nicht auf die Kommandos. Obsidian trampelte einen Mann mit den Hufen nieder. Eine weiße Stute rannte einen anderen einfach um, zwei braune Pferde, fast gleichfarben, schlugen Bolivar zu Boden und nagelten ihn dort mit den Vorderhufen fest. Kopflos stoben die anderen Wachsoldaten auseinander.
    Nun warf sich Renchald selbst auf Kiran. Brock
    sprang auf, um ihn abzublocken, verlor das Gleichgewicht und stürzte. Kiran rappelte sich hoch. Renchald sprang wieder vor, doch Kiran wich aus.
    Der wilde Schrei des Schwans ertönte, beantwortet vom unheimlichen Kreischen des Falken. Die Vögel hatten sich wieder in die Luft erhoben.
    Etwas sehr Hartes traf Renchald an der Schulter. Er wurde herumgewirbelt, fiel dann und landete schmerzhaft auf dem Rücken. Für einen Moment, der eine Ewigkeit dauerte, war alles vollkommen deutlich: Kiran blickte auf ihn nieder, Obsidian, aufgebäumt, schlug noch über Kirans Kopf mit den Hufen. Und vor dem großen schwarzen Pferd erschien ihm Selid. Ellerth wird Euch begraben, Renchald. Ich hab es gesehen!
    Die Hufe kamen runter. Der Geierfalke taumelte zu Boden und schrie kreischend auf, als er fiel.
     
    Schwer atmend stand Kiran über Renchald. Der Brustkorb des Meisterpriesters war eingedrückt, sein Blut versickerte in der Erde, der Boden färbte sich schnell dunkel, die Sonne war nun vollständig hinter dem Horizont verschwunden. Obsidian ging neben dem leblosen Körper hin und her, schüttelte seine schwarze Mähne und schlug mit dem Schwanz.
    »Keldes bewahre mich vor dem, was meine Augen sehen!« Das war Lord Errington. »Was habt ihr getan?«
    Kiran hatte Schwierigkeiten, die Bedeutung dessen zu erfassen, was gerade geschehen war. Er wusste, dass er gerade mit dem Meisterpriester gekämpft und gesiegt hatte. Aber dass er tot war, schien undenkbar. Er schrak auf, als Brock blitzartig auf Lord Errington zusprang und schrie: »Hau ab!«
    »Was erlaubst du dir …«
    »Oder hast du vielleicht noch Lust zu streiten?« Brock winkte Obsidian.
    Errington wich ein paar Schritte zurück, dann drehte er sich um und rannte davon, an Bolivar vorbei, der noch immer von den Vorderhufen der beiden Pferde am Boden gehalten wurde.
    Brock beugte sich über Renchalds Körper, hob die schlaffe Hand und zog den Ring der Götter vom Finger.
    »Um ihn vor solchen wie Errington in Sicherheit zu bringen«, sagte er und ließ ihn in einer Tasche seines Gewands verschwinden.
    Nun strömten auch andere Mitglieder des Tempels aus dem Westportal und rannten wie Schatten durch die einbrechende Dunkelheit. Als er sie sah, riss Kiran sich zusammen, sie mussten etwas tun. »Brock«, meinte er, »wir müssen auf der Stelle verschwinden, bevor alle Priesterinnen und Priester ihre Gaben gegen uns richten.« Er zeigte auf die weiße Stute, die einen der Wachsoldaten umgerannt hatte. »Sie will dich als Reiter haben.«
    Brock schwang sich auf die Stute.
    Mit schmerzenden Rippen stieg Kiran auf Obsidian.
    Dann schickte er einen Ruf an alle Tiere der Umgebung ab. Sofort war ein Schreien und Zischen zu hören, als eine Schar Gänse vom See über das Dach des Stalls aufstieg und auf die Leute zuflog, die aus dem Tempel strömten. Wild gewordene Pferde rasten auf das Tor zu und unter lautem Blöken und Muhen durchbrachen Schafe und Rinder die Zäune.
    Obsidian und die weiße Stute galoppierten auf das Tor zu. Über ihnen segelte der schwarze Schwan. Die Wachen am Tor, die ganz davon in Anspruch genommen waren, alle übrigen Tiere abzuwehren, konnten sie nicht aufhalten.
    Auf diese Weise nahmen Brock und Kiran Abschied vom Tempel des Orakels. Und als sie auf die Landstraße nach Norden einbogen, hörte Kiran ein Bellen. Jack! Ich habe gewusst, dass du mich
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