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Starke Frauen

Starke Frauen

Titel: Starke Frauen
Autoren: Dana Horáková
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Und wie sie »sprang«! Sie verwandelte das Provinznest Weimar in ein geistiges Zentrum, auf das sich die Deutschen immer wieder besinnen, wenn es der nationalen Identität an den Kragen geht.
    Als die 16-jährige frisch vermählte Anna Amalia am 16. März 1756 zum ersten Mal ihre künftige Residenzstadt sieht, ist sie schockiert. Verglichen mit ihrer Heimatstadt Braunschweig (22 500 Einwohner) ist Weimar kaum mehr als ein Dorf: 6000 Einwohner, Schäfer treiben ihre Herden durch die Straßen, der unbedeckte Abwasserkanal verpestet die Luft.
    »Man verheiratet mich so, wie man gewöhnlich Fürstinnen vermählt«, heißt es lakonisch in ihrem Büchlein Meine Gedanken.
    Ein Jahr später wird Erbprinz Carl August geboren, die dynastische Kontinuität im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach ist gesichert. »Könnte ich Ihnen beschreiben das Gefühl, welches ich bekam, als ich Mutter wurde! Es war die erste und reinste Freude, die ich in meinem Leben hatte!« 14 sorgfältig ausgesuchte Paten sollten die Unabhängigkeit des Herzogtums innerhalb von Deutschland sichern – damals ein von Machtgezerre zerrütteter Flickenteppich. Drei Monate nach dem Tod ihres 19-jährigen Gatten kommt der zweite Sohn auf die Welt: »Die schnellen Veränderungen, welche Schlag auf Schlag kamen, machten einen solchen Tumult in meiner Seele, dass ich nicht zu mir selber kommen konnte.«
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    »Ich sollte ganz durch eigene Erfahrung gebildet werden«
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    Was folgt, verblüfft ganz Europa. Die 18-Jährige schafft es, gegen alle Widerstände vom Kaiser zum alleinigen Vormund ihrer Söhne und zur Regentin ernannt zu werden. Das Wort der Rokoko-Fürstin wird Gesetz. Ab sofort unterschreibt sie ihre Erlasse: »Wir, Anna Amalia, von Gottes Gnaden Herzogin zu Sachsen ...« 16 Jahre wird sie ihren landschaftlich schönen, wirtschaftlich schwachen, politisch unbedeutenden und nach dem Siebenjährigen Krieg hoch verschuldeten Zwergstaat (100 000 Einwohner) regieren. Und zwar mit einer Energie und Entschlusskraft, die sogar ihren Onkel, Friedrich den Großen, verblüffen: »Ich fühlte meine Untüchtigkeit, und dennoch musste ich alles in mir selber finden ... Da stand ich nun ganz nackend.«
    Das Hauptproblem lautet: Die Finanzen sind zu konsolidieren. Sie kürzt Beamtengehälter, verkleinert die Armee, kümmert sich um den Verkauf von Getreide und Holz aus ihren Wäldern. Auch die Sitten ihrer Untertanen sind verbesserungswürdig: Anna Amalia verbietet Kartenund Würfelspiel an Sonn- und Feiertagen, Männer unter 24 dürfen nicht heiraten, Huren werden des Landes verwiesen. In den Wirtshäusern wird Meldepflicht eingeführt, die Abwasserkanäle werden überwölbt, Hauptstraßen mit Laternen beleuchtet, für alle Neubauten Ziegeldächer vorgeschrieben, aber auch ein Stipendienfonds für das Gymnasium wird eingerichtet, da die Alleinherrin großen Wert auf Bildung, Kultur und Wissenschaft legt – wie ihr Vater, der den Dichter Lessing als Bibliothekar nach Wolfenbüttel berief.
    Um die Steuerzahler zu entlasten, bezahlt sie höfische Bälle aus ihrem Privatvermögen, ebenso ihre Garderobe, Juwelen, Präsente, Almosen, Reisen, Verluste beim Kartenspielen.
    Der Alltag. Sie schläft auf einem Strohsack, die Wände ihres Schlafzimmers sind mit grüner Seide bespannt, und sie besitzt knapp 1000 Paar Schuhe aus Stoff, Leinen, Seide, mit Schleifen, Schnallen, Edelsteinen, meist hochhackig. Sie spricht Französisch, Deutsch, Italienisch, Englisch, Griechisch, Latein, vertont Goethes Stück Erwin und Elmire . Als Regentin beschäftigt sie an ihrem Hof rund 500 Menschen, eröffnet 1766 ihre Bibliothek im »Grünen Schloss« neu (rund 50 000 der Werke werden 2004 bei einem Brand in der Nacht vom 2. auf den 3. September vernichtet).
    Doch für ihre wichtigste Aufgabe hält sie die Erziehung ihrer beiden Söhne. Und auch hier wagt die Regentin etwas Neues: Sie beauftragt mit der Anleitung der Prinzen den Bürgerlichen Christoph Martin Wieland. Seine Berufung markiert den Anfang eines Prozesses, der die Standesschranken auflösen wird: Denn die Fürstin holt noch mehr Dichter und Denker, die Habenichtse waren, und stellt sie in Lohn und Brot. In ihrem »Musenhof« haben die Stimmen von Geistesschaffenden, egal ob als Prinzen-Erzieher, Pfarrer, Uni-Professoren oder Beamte, zum ersten Mal in Deutschland gesellschaftliches Gewicht bekommen.
    Wie sie selbst so glaubt auch der Erbprinz, dass da, wo kein Geld vorhanden ist, Genies das Entscheidende leisten und mit der Kraft
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