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Starke Frauen

Starke Frauen

Titel: Starke Frauen
Autoren: Dana Horáková
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reist Hannah erstmals wieder nach Deutschland, um die Sicherung jüdischer Kulturgüter zu überwachen. Noch macht sie einen großen Bogen um Freiburg. Während einer Dienstreise, im Februar 1950, fährt sie dann doch hin. Sie lässt ihrem Ex-Professor vom Hotel aus einen Zettel mit drei Worten zustellen: »Ich bin hier.« Und dann steht er da wie »ein begossener Pudel. Es war, als stünde plötzlich die Zeit stille.« Sie trifft auch Heideggers Frau, eine bekennende Antisemitin: »Die Frau ist halb blödsinnig vor Eifersucht ... dies äußerte sie mir in einer halb antisemitischen Szene ohne ihn«, berichtet sie ihrem Gatten.
    Warum kreuzt sie überhaupt auf, bringt seine Ehe durcheinander? Wie es scheint, um seinen politischen Fehltritt zu entschuldigen: Heidegger sei der »letzte Romantiker, dessen komplette Verantwortungslosigkeit bereits jener Verspieltheit geschuldet war, die teils aus dem Geniewahn und teils aus der Verzweiflung stammt«. Außerdem: »Die Neigung zum Tyrannischen lässt sich theoretisch bei fast alles großen Denkern nachweisen (Kant ist die große Ausnahme).«
    1951 erscheint ihr Buch über Totalitarismus. Ein grandioser Erfolg: Sie wird überhäuft mit Ehrungen und Einladungen zu Vorträgen. »Was ist mit Heidegger?«, fragt Heinrich. Nichts ist. Er meldet sich nicht, ignoriert ihren Durchbruch. Trotzdem schickt sie ihm 1960 ihr neues Buch Vita activa oder Vom tätigen Leben : »Wäre es zwischen uns je mit rechten Dingen zugegangen ... so hätte ich dich gefragt, ob ich es dir widmen darf«, steht im Begleitbrief: »Dem Vertrauten, dem ich dieTreue gehalten habe und nicht gehalten habe, und beides in Liebe.« Er geht mit keinem Wort darauf ein. Sie sorgt trotzdem dafür, dass sein Werk in den USA erscheint.
    Mit Heinrich, dem »Prinzgemahl«, der seit 1951 Philosophie unterrichtet, macht sie Urlaub in den Wäldern Nordamerikas, er bringt ihr Billard bei. Sie hängen sehr aneinander, da sie kinderlos geblieben sind: »Als wir jung waren, hatten wir kein Geld, und als wir Geld hatten, waren wir zu alt.«
    1969 besucht das Ehepaar Arendt-Blücher die Heideggers. Die beiden Männer sehen sich zum ersten Mal. Es wird eine seltsam nichtssagende Begegnung. Hannah wird Professorin, nennt ihre Studenten »Kinder«, ist beliebt, obwohl sie auf Manieren und Disziplin besteht. Ihre »Kinder« dürfen keine Jeans tragen, dürfen nicht »ungewaschen« antreten, müssen »anständig« sitzen usw. Anders ist ein sinnvoller Unterricht nicht möglich. Und doch vergeht kein Tag, an dem die »Despotin« kein kleines Geschenk vor ihrer Tür findet: Kirschen, Gedichte, Bücher: »Was ist bloß mit der Welt los, dass das möglich ist! Schöne Welt.«
    Am 11. April 1961 beginnt in Jerusalem der Prozess gegen Adolf Eichmann, der die Vernichtung von rund sechs Millionen Juden organisiert hat. Hannah ist als Berichterstatterin dabei. Ihr geht es nicht um das schlichte »Auge um Auge«, sie will begreifen, denn das ist für sie der erste Schritt, um zu verhindern, dass Ähnliches je wieder geschehen kann: »Jetzt wissen wir, dass in jedem von uns ein Eichmann steckt«, schreibt sie und spricht von der »Banalität des Bösen«, weil das Böse keine Naturgewalt ist, sondern aus dem »Nicht-Nachdenken« entsteht. Es folgt ein weltweiter Tsunami der Entrüstung. Jüdische Organisationen haben ihr den Krieg erklärt. Sie sei »unerträglich arrogant«, getrieben von »perverser Sucht, originell zu sein«.
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    »Wenn man als Jude angegriffen wird, muss man sich als Jude verteidigen«
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    Heinrich bezahlt die Kampagne gegen seine Frau mit Depressionen. Jaspers kündigt an, ein Buch über die »Unabhängigkeit des Denkens« zu schreiben, um sie zu schützen. Heidegger hüllt sich in Schweigen. Eichmann wird gehängt.
    Am 19. März 1962 wird sie bei einem Taxi-Unfall in New York schwer verletzt: »Ich habe immer so gerne gelebt, aber so gerne, dass es immer weiterdauern sollte, wieder auch nicht. Mir war der Tod immer ein angenehmer Genosse«, schreibt sie Jaspers. »Was ich gerne hätte, wäre ein sicheres, anständiges Mittel zum eventuellen Selbstmord; ich hätte es gern in der Hand.«
    Am 31. Oktober 1970 erleidet Heinrich einen Herzinfarkt. Sterbend nimmt er Hannahs Hand und flüstert: »Das war’s.« Ihre Freunde finden sie ratlos: »Wie soll ich jetzt leben?« Aber sie hält am selben Tag ein Seminar. Hannah Arendt funktioniert. Sie raucht, ist gefragt wie nie zuvor, lehnt zwei Heiratsanträge ab und ist 1974
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