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Starke Frauen

Starke Frauen

Titel: Starke Frauen
Autoren: Dana Horáková
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auch ein Schritt in Richtung gesellschaftliche Befreiung: »Ich bin kein Mensch, der einfach aufgibt.«
    Nicht nur Pinas Choreografien, auch ihre neuartigen Bühnenbilder irritieren. Es gibt keine gemalten pseudorealistischen Kulissen mehr. Auf der Bühne bewegen sich echte Hunde beziehungsweise falsche Nilpferde und Krokodile. Der Bühnenboden ist mit Erde, Laub, Wasser bedeckt. Oder, wie 1982 in Pinas Klassiker Nelken , mit Tausenden von künstlichen rosa Nelken.
    Erfinder dieser Bühnenwelten ist der Grafiker Rolf Borzik, ein bescheidener, unbequemer Mann mit souveränem Stilempfinden. Elf Stücke haben er und Pina Bausch gemeinsam erarbeitet: »Er war immer da. Er hat mich immer unterstützt und beschützt.« Auch privat. Rolf ist gerade 35, als er am 27. Januar 1980 stirbt. Ihre Trauer verarbeitet sie in einem Stück, das (wie so oft und immer wieder) keinen Namen hat; also geht es einfach unter der Jahreszahl »1980« in Pinas Werkverzeichnis ein. Aber im Unterschied zu früher, als ihre Farben düster, Dunkelgrau oder Schwarz, waren, dominiert hier die Farbe der Hoffnung: Grün. »Es hat mit meinen Gefühlen zu tun – von denen ich vermute, dass wir sie alle ähnlich haben.« Sie sagt: »Im Tanz kann ich alle Gefühle ausdrücken, die ich mit Worten nicht sagen konnte.«
    Ein Jahr nach Borziks Tod bekommt Pina einen Sohn, dem sie den Namen ihres toten Partners gibt: Rolf Salomon. Bis dahin glaubt sie, es sei aus mit dem Tanz, wenn man Mutter wird. Nun strahlt sie: »Da läuft man sein Leben lang mit einem Busen durch die Gegend und natürlich weiß man, wozu der da ist. Aber plötzlich spürt man seine Funktion. Ich weiß, das sind ganz simple Dinge. Aber es ist eine große Erfahrung.«
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    »Ich musste immer und immer tanzen«
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    Rolf Salomons Vater ist der deutsch-chilenische Dichter und Literaturwissenschaftler Ronald Kay, den Pina während einer Gastspielreise kennenlernt. Ronald kommt nach Wuppertal, versucht, seine Lebensgefährtin zu »weniger Arbeit und Zigaretten« zu überreden. Vergeblich. »Das Einzige, was sie wollte, wenn sie ein Stück machte, war: kurz was essen und dann weitermachen. Und dann war sie so kaputt. Wie ein Häufchen Asche«, erinnert er sich.
    Es dauert, bis der Professor (der sich einen Namen als Herausgeber des Nachlasses der Ethnologen Hubert Fichte machte) erkennt, dass es das Beste ist, diese Schwächephasen zu ignorieren: »Das tat ihr gut, dass man sich nicht in ihr Leid hineinkniete.« Und Pina stellt dankbar richtig: »Viele denken, ich bräuchte nie eine starke Schulter.« Apropos: Sie hatte keinen Führerschein, machte sich nichts aus Mode, trug meistens Schwarz und bequeme Männerschuhe.
    Ronald Kay und Rolf Salomon Bausch leiten heute die »Pina Bausch Stiftung«.
    Aus Skandalen werden Erfolge, aus der Chefin wird eine echte Prinzipalin: Nach den Proben oder Aufführungen sitzt sie mit ihren Tänzern in einer Kneipe und gibt jedem das Gefühl, unentbehrlich zu sein. Sie schützt ihre Tänzer, achtet darauf, dass sie sich künstlerisch weiterentwickeln, gräbt nach der Wahrheit jedes individuellen Tänzerlebens. 1997, während eines Gastspiels in Istanbul, zeigen die Tänzer, die im »Fensterputzer« auftreten, den Zuschauern ihre Privatfotos. Die Leute reagieren, holen ihre eigenen Familienfotos raus, zeigen sie und manchmal weinen sie auch. Auch Heiner Müller, der Star-Dramatiker der DDR, der im Theater eigentlich nie eine Träne vergießen konnte,gestand, bei Pina Bausch geweint zu haben, weil sie »Theater ohne Plastiktüten« macht: Man wird emotional in die Zange genommen, aber fühlt sich gleichzeitig frei.
    Apropos: das Zuhause: »Meine Heimat ist überall. Es ist eher ein Zufall, dass ich hier bin. Das hat die Arbeit so bestimmt ... Ich glaube an die Kraft der Fantasie: Wenn ich will, dass die Sonne scheint, lasse ich sie einfach aufgehen – auch in Wuppertal.« Wie es scheint, hat sie die »Wuppertaler Sonne« auch für ihre Tänzer, die zu ihr aus Mexiko, Peru, Italien, Korea, Japan, Brasilien, Amerika kamen, aufgehen lassen.
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    »An Wuppertal mag ich, dass es so richtig Alltag ist. Es gibt keine Illusionen in Wuppertal und das hat auch etwas Positives«
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    Pina Bausch raucht. Viel und gern. Sie lehnt lange Flugstrecken ab, um nicht ewig auf eine Zigarette verzichten zu müssen. Nachts, wenn alle schon todmüde sind, bittet sie, geplagt von der Angst, nicht fertig zu werden bis zur nächsten Premiere: »Noch ein Weinchen. Und ein
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