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Starke Frauen

Starke Frauen

Titel: Starke Frauen
Autoren: Dana Horáková
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Storys auf Postkartenformat, die man an die Front schicken kann. Und Hedwig, die nie eine einzige Kriegsgeschichte geschrieben hat, erhält korbweise Post aus den Schützengräben und 24 Heiratsanträge (darunter auch von einem Grenadier aus Flandern): »Gnädige Frau, verehrte Schriftstellerin! ... Ohne Ihre Bücher wäre das Leben an der Front unter uns rauen Männern unerträglich.« 1921 bis 1925: 42 Titel. 1926 bis 1930: 38 Bücher. Jedes Buch hat im Schnitt 350 Seiten. »Schreiben erlernt man nicht. So etwas hat man.« Sie hat sich durchgesetzt. Keine der 20 000 Leihbibliotheken zwischen Flensburg und München kommt ohne Hedwig Courths-Mahler aus. »Liebe« kommt 24-mal in ihren Buchtiteln vor; Ehe und Heirat: 14-mal; Herz: 9-mal; Glück: 14-mal; Namen: 48-mal; Rätsel: 9-mal; Schmerz: 12-mal; Trennung: 19-mal.
    Hedwig, die für ihre fabelhaften Torten berühmt ist, erwirbt ein kleines Landhaus, wo sie im Sommer drei Monate lang »pausiert«.
    Wie schreibt diese Frau? In einem Drehstuhl ohne Armlehnen an einem schmalen Holztisch sitzend, oft in bodenlanger Schürze. Die Buchideen sammelt sie in den Sommerferien in ihrem »Stoffbuch«. Daheim »beginne ich mit der Ausarbeitung. Ich lebe mich so intensiv in diesen Stoff hinein, dass ich nichts anderes hören und sehen mag.« 14 Stunden am Tag sitzt sie an der Schreibmaschine. »Ich komme nicht los von der Arbeit – oder soll ich sagen: von der Welt, die ich geschaffen habe?«
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    »Es muss von Herzen kommen, was zu Herzen gehen soll«
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    Kritiken? Keine schlechten. Genauer gesagt: gar keine. Man ignoriert die »Kitschminna«. Bis der Schriftsteller und Journalist Hans Reimann ( Die Feuerzangenbowle ) beschließt, sich mit seinen Verrissen von »Kotz-Mahler« beziehungsweise »Furz-Maleur« zu profilieren: »Sie verdummt, verseucht Geist und Geschmack«, verkündet er. »Weil die C. in Hunderttausenden gedruckt wird, hatder Verlag Cotta kein Papier, Goethe zu drucken.« Das ist gelogen, aber dem versnobten Bürgertum gefällt’s. Hedwig reagiert wie eine Frau von Welt, schreibt Herrn Reimann einen offenen Brief: »Seit Sie mir die Ehre erweisen, mich wegen meiner harmlosen Märchen, mit denen ich meinem Publikum einige sorglose Stunden zu verschaffen versuche, anzupöbeln, werden sie noch mehr verkauft als bisher ... was meinem Verleger bedeutend mehr Freude macht als mir. Gott lohne es Ihnen, edler Mann! In gebührender Demut und Verehrung, großer Meister, Ihre noch nicht ganz zerschmetterte ...«
    Häme und Spott können ihr die Freude an der Arbeit nicht rauben. Aber die Nazis. Sie kommt nicht klar mit den Massenumzügen, schon gar nicht mit dem Antisemitismus; ihr Schwiegersohn Anton Bock ist Halbjude. Hedwig wird zwar Mitglied der Reichskulturkammer, um weiter publizieren zu können, findet die Situation aber unerträglich. 1935 verlässt sie samt Familie Berlin. Von nun an lebt sie am Tegernsee in Bayern, »wo man von dem allem nichts weiß«.
    Da sie sich weigert, ihre Geschichten den NS-Vorgaben anzupassen, geht sie in einen Schreib-Streik. Und der Rothbarth Verlag löst ihren Vertrag auf, da die Prüfungsstelle vier Romane von ihr abwies und ein Papierzuteilungsverbot für ihre Bücher ausspricht. Hedwig beschließt, nie wieder zu schreiben. Ein Ende mit Würde – kein Happy End.
    Als sie sich beim Einwohnermeldeamt in Tegernsee meldet, gibt sie unter Beruf: »Wieder Hausfrau« an. Und unterschreibt mit »Elisabeth Courths-Mahler«. Sie hat nach 31 Berufsjahren und rund 300 Millionen verkauften Büchern ihren Autorennamen abgelegt: »Meine Gedanken kann man mir nicht verbieten. Die sind frei. Sagen Sie das Ihrem Minister«, betont sie 1942, mit 75, in einem Hörfunkinterview.
    Nach Kriegsende setzt ein US-Colonel namens Stern ihr Haus »off limits«, das heißt unter den Schutz der Amerikaner, denn, so gesteht er, »mit Ihren Romanen habe ich Deutsch gelernt«. In der gesamten russischen Zone beschloss man, Courths-Mahlers Bücher aus ideologischen Gründen aus den Leihbüchereien »zu entfernen und zu vernichten«.
    Hedwig kümmert sich unterdessen um ihren Gemüsegarten, hatDiabetes, wird 1948 zu 128 000 Reichsmark Strafe wegen Steuerhinterziehung verurteilt, verliert während der Währungsreform ein Vermögen, ist aber im Reinen mit sich. Auf ihrem Grabstein steht: »Arbeit adelt«.
    Bleibt die Frage: Sind Hedwig Courths-Mahlers Romane Kitsch? Kitsch ist vor allem eines: Lüge. Vorgetäuschter Herzschmerz, kalkulierter Tränendrüsendrücker.
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