Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Starke Frauen

Starke Frauen

Titel: Starke Frauen
Autoren: Dana Horáková
Vom Netzwerk:
Zigarettchen. Aber noch nicht nach Hause.« In den letzten Jahren merkt man, dass sie Schmerzen hat. Doch die berufsmäßige Herrin ihres Körpers ignoriert sie, solange es geht. »Das ist das Wunderbare am Tanz: dass der Körper eine Realität ist, ohne den nichts möglich ist, aber über den man sich auch hinwegsetzen muss.« Aus einem »Instrument« ist ein Wegweiser geworden: »Im eigenen Körper ist man sich selbst der Nächste. Das ist man selber, ganz direkt ... Aber was wir fühlen, gehört uns nicht allein, sondern gehört uns allen zusammen.«
    Sie lässt sich untersuchen, allerdings erst nachdem ihr neues, namenloses Stück vollendet ist; bei der Premierenfeier am 12. Juni 2009 sitzt sie noch unter den Tänzern und Gästen. Fünf Tage nach der Krebsdiagnose, am 30. Juni 2009, besiegt ihr Körper ihren Geist.
    Einmal, nach einer Vorstellung in Griechenland, ist sie zu Gast bei einigen Zigeunerfamilien. Man fängt an zu tanzen, Pina hat Hemmungen mitzumachen, bis eine Zwölfjährige »mich wieder und wieder aufgefordert hatte mitzutanzen: ›Dance, dance, otherwise we are lost!‹«Sagte Nietzsche nicht: »Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde«?
    Die First Lady des Tanztheaters wusste, dass »die Realität viel größer (ist), als wir begreifen können ... Und manchmal bringen uns die Fragen zu Erfahrungen, die viel älter sind, die nicht nur aus unserer Kultur stammen und nicht nur von hier und von heute handeln. Es ist so, als bekämen wir dadurch ein Wissen zurück, das uns an etwas erinnert, das uns allen gemeinsam ist.«
    Pina Bausch suchte, so wie Mystiker aller Kulturen und aller Zeiten, nach einer Urkraft, die jedes Menschenkind zum Nächsten aller Weltbürger macht, und tastete sich an sie heran, Schritt für Schritt. Sie interessierte sich weit mehr dafür, was die Menschen bewegt, als dafür, wie sie sich bewegen. Kein Wunder, dass man sie auf der ganzen Welt verstand. Gefragt, ob sie sich als deutsche Künstlerin sieht, schaute sie lang und konzentriert in die Ferne und meinte: »Wenn ich ein Vogel wäre, würden Sie mich dann als deutschen Vogel bezeichnen wollen?«

Die Kritiker haben immer wieder versucht, sie literarisch abzuschlachten, aber ihre Leser kürten sie zur frühen Schutzheiligen der »Desperate Housewives« & Co.
    Grafen, Comtessen, Stubenmädchen, Waisen, Offiziere, Gutsbesitzer, Diplomaten – das waren die Protagonisten ihrer 208 Romane. Oft von Adel, meistens züchtig, aber niemals »Nippesfiguren ohne Unterleib«, wie ein Spötter meinte. Ihrer Griseldis , der Armen kleinen Anni oder Der wilden Ursula waren sinnliche Sehnsüchte keineswegs unbekannt: »Glühende Leidenschaft durchtobte ihr ganzes Sein. Erbarme Dich meiner! Lass mich nur ein einziges Mal erfahren, was Liebe geben kann!«, stöhnt die Heldin von Hedwigs Roman Glückshunger . Denn die Autorin wusste sehr wohl, dass Frauen heftige sexuelle Sehnsüchte haben, aber sie aus Sittlichkeitszwängen verdorren lassen müssen.
    Es sei denn, sie leben sie aus, wie Hedwigs Mutter Henriette Mahler. Vier ihrer fünf Kinder, einschließlich der erstgeborenen Hedwig, kommen unehelich auf die Welt. Und als es Henriette schafft, endlich geehelicht zu werden, da wieder schwanger, stirbt das Baby an Pocken, woraufhin die Ehe geschieden wird. Sie muss ihr Dorf Nebra an der Unstrut verlassen. Hätte Hedwig die Geschichte ihrer Mutter erfunden, hätte es ein Happy End gegeben.
    Die wahre Henriette hingegen gibt ihre Kinder in Pflege und zieht 1872 nach Leipzig, um in der Anonymität der Großstadt unterzutauchen. Sie wechselt bis 1900 17-mal die Wohnung und geht »anschaffen«, wie die etwa 2500 Prostituierten in 131 registrierten Bordellen. 1899 wird sie zu einem Monat Gefängnis wegen Kuppelei verurteilt und steht anschließend unter Polizeiaufsicht, aber schafft es zu einem bescheidenen Wohlstand und lässt sich mit allen Insignien einer ehrbaren Frau fotografieren: das Kleid hochgeschlossen, goldene Uhrkette, Medaillon.
    Ernestine Friederike Elisabeth, so Hedwigs Taufname, vermisst die Mutter kaum, sie liebt die Geschichten, die der Pflegevater Birkner, ein Schuster im sächsischen Weißenfels, seinen Zöglingen vor dem Einschlafen erzählt: »Sagen von Bergen und Burgen und Ländern, die er nie gesehen hat und die er schildern kann, als wären sie ihm vertraut.« Eines Tages kommt ein Wanderzirkus durch und Hedwig darf sich für15 Pfennige eine Karte kaufen. Gegeben wird »Hedwig, die Zigeunerbraut«.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher