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Das Letzte Protokoll

Das Letzte Protokoll

Titel: Das Letzte Protokoll
Autoren: Chuck Palahniuk
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von der wirklichen Welt nicht die geringste A h nung. Du möchtest jemandem glauben, wenn er sagt, dass er dich liebt. Er will dich einfach nur heiraten und zu sich nach Hause in sein perfektes Inselparadies holen. Ein großes, aus Stein gebautes Haus in der East Birch Street. Er sagt, er will nichts anderes, als dich glüc k lich machen.
    Und nein, ehrlich, er wird dich niemals zu Tode foltern.
    Und die arme Misty Kleinman sagte sich, sie wolle gar nicht Karriere als Künstlerin machen. Was sie wirklich die ganze Zeit g e wollt habe, sei das Haus, eine Familie und Frieden.
    Dann kam sie nach Waytansea, wo alles so vollkommen in Ordnung war.
    Und dann stellte sich heraus, dass sie sich geirrt hatte.

26. Juni
    Ein Mann ruft vom Festland an, aus Ocean Park, und sagt, seine Küche ist weg.
    Es ist natürlich, dass einem das nicht sofort auffällt. Hat man irgendwo lange genug gelebt - in einem Haus, einer Wohnung, einem Land -, wirkt alles einfach nur noch klein.
    Ocean Park, Oysterville, Long Beach, Ocean Shores, das sind a l les Orte auf dem Festland. Die Frau mit dem ve r schwundenen Wäscheschrank. Der Mann, dem das Badezimmer abhanden g e kommen ist. Diese Leute sind bloß Nachrichten auf dem Anru f beantworter, Leute, die in ihren Sommerhäusern irgen d welche Umbaumaßnahmen veranlasst haben. Festlandorte, Sommerle u te. Wenn man ein Haus mit neun Schlafzimmern hat, das man nur zweimal im Jahr sieht, da kann es schon ein paar Jahre da u ern, bis du merkst, dass etwas fehlt. Die meisten dieser Leute besitzen mindestens ein halbes Dutzend Häuser. Aber die sind kein richtiges Zuhause. Das sind Investitionen. Diese Leute h a ben Eigentumswohnungen und Mietshäuser. Sie haben Apar t ments in Lo n don und Hongkong. In jeder Zeitzone wartet eine Zahnbürste auf sie. Auf j e dem Kontinent ein Berg schmutziger Wäsche.
    Die Stimme auf Peters Anrufbeantworter, der Mann sagt, er h a be einen Gasherd in der Küche gehabt. Zwei Backöfen in der Wand. Einen großen zweitürigen Küh l schrank.
    Deine Frau, Misty Marie, hört sich das Genörgel an und sagt, ja, früher war hier manches anders.
    Früher brauchte man nur zum Hafen, und schon konnte man auf die Fähre gehen. Sie fährt jede halbe Stunde zum Festland und zurück. Heute muss man sich anstellen. Warten, bis man an die Reihe kommt. Auf dem Parkplatz herumstehen, zusammen mit einem Haufen fremder Leute in glänzenden Sportw a gen, die nicht nach Urin stinken. Die Fähre kommt und geht drei-oder viermal, bevor du an Bord Platz bekommst. Und die ganze Zeit sitzt du in der Sonne, in diesem Gestank.
    Du brauchst den ganzen Vormittag, bloß um von der Insel wegzukommen.
    Früher bist du ins Hotel Waytansea gegangen und hast pro b lemlos einen Fensterplatz bekommen. Früher hast du auf W a ytansea Island niemals Unrat herumfliegen sehen. Es gab keine Staus. Keine Tattoos. Keine gepiercten N a sen. Keine Spritzen am Strand. Keine verklebten Kondome im Sand. Keine Reklamet a feln. Keine Firmenschilder.
    Der Mann in Ocean Park hat gesagt, die Wand in seinem Es s zimmer sei fugenlos mit Eiche vertäfelt und sauber mit einer blau gestreiften Tapete beklebt. Boden-und Deckenleisten liefen u n unterbrochen von Ecke zu Ecke. Er habe die Wand abgeklopft, sie sei massiv: Gipsplatten auf Hol z rahmen. Er schwört, dass in der Mitte dieser soliden Wand früher die Küchentür gewesen sei.
    Der Mann in Ocean Park sagt ins Telefon: »Vielleicht irre ich mich ja, aber ein Haus muss doch eine Küche haben? Oder? Steht das nicht in den Bauvorschriften oder wo?«
    Die Dame in Seaview hat ihren Wäscheschrank erst ve r misst, als sie kein sauberes Handtuch mehr finden konnte.
    Der Mann in Ocean Park hat gesagt, er habe einen Korkenzi e her von der Anrichte im Esszimmer genommen. Und an der Ste l le, wo seiner Meinung nach früher die Küchentür war, ein kle i nes Loch gebohrt. Er habe ein Stea k messer genommen und das Loch damit ein bisschen gr ö ßer gemacht. Er habe eine Wange an die Wand gepresst und mithilfe einer kleinen Taschenlampe, die er an se i nem Schlüsselbund immer bei sich trage, in das Loch hineing e späht. Da sei ein dunkler Raum gewesen, und an die Wände sei etwas geschrieben gewesen. Er habe gewartet, bis se i ne Augen sich darauf eingestellt hätten, habe jedoch in der Du n kelheit nur Satzfetzen entziffern können: »... wenn ihr einen Fuß auf die Insel setzt, werdet ihr sterben . ..«, stand da. »... verschwindet von hier, so schnell ihr könnt. Sie werden alle
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