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Das Letzte Protokoll

Das Letzte Protokoll

Titel: Das Letzte Protokoll
Autoren: Chuck Palahniuk
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seiner Frau und seiner kleinen Tochter die Hand, sag ihnen, sie brauchen sich keine Sorgen zu machen - das wird schon alles wieder we r den. Lächle einfach weiter, und steck dir die langen grauen Ha a re hoch. Geh mit de i nen alten Freundinnen Bridge spielen. Pudre dir die Nase.
    Der abscheuliche Fettbalg unter deinem Kinn, dieser Tag für Tag dicker und schwabbliger werdende Fleischlappen, das ist submentales Fett. Die Falten um deinen Hals nennt man Platysm a ring. Dass dein Gesicht, Kinn und Hals allmählich zusammens a cken, liegt daran, dass die Schwerkraft an deinem subkutanen musculaponeur o tischen System zerrt.
    Klingt vertraut?
    Solltest du jetzt etwas verwirrt sein, entspann dich. Keine Sorge. Du brauchst nur eines zu wissen: Das ist dein G e sicht. Das, was du am besten zu kennen glaubst.
    Das sind die drei Schichten deiner Haut.
    Das sind die drei Frauen in deinem Leben.
    Die Epidermis, die Dermis und das Fett.
    Deine Frau, deine Tochter und deine Mutter.
    Wenn du das liest, sei willkommen in der Wirklichkeit. Hie r hin hat das ganze herrliche, unbegrenzte Potenzial deiner Jugend dich gebracht. Die ganzen unerfüllten Ve r heißungen. Das hast du aus deinem Leben gemacht.
    Dein Name ist Peter Wilmot.
    Du musst nur noch begreifen, dass du zu einem jämme r lichen Sack Scheiße geworden bist.

23. Juni
    Eine Frau ruft aus Seaview an und sagt, ihr Wäsch e schrank ist weg. Im vorigen September hatte ihr Haus sechs Schlafzimmer und zwei Wäscheschränke. Da ist sie sich sicher. Jetzt hat sie nur noch einen. Sie ist da, um für den Sommer ihr Strandhaus zu b e ziehen. Sie fährt mit den Kindern und dem Kindermä d chen und dem Hund aus der Stadt heraus, und jetzt stehen sie hier mit i h rem ganzen Gepäck, und ihre ganzen Handtücher sind weg. Ve r schwunden. Buff.
    Im Bermudadreieck.
    Ihre Stimme auf dem Anrufbeantworter, das Kreischen ihrer Stimme wird immer schriller, bis jeder Satz am Ende wie eine Luftalarmsirene klingt. Man merkt, dass sie u n geheuer wütend ist, vor allem aber hat sie Angst. Sie sagt: »Soll das ein Scherz sein? Bitte sagen Sie, dass jemand Sie dafür bezahlt hat, mir das anz u tun.«
    Ihre Stimme auf dem Anrufbeantworter, sie sagt: »Bitte, ich h o le auch nicht die Polizei. Stellen Sie's mir einfach nur wieder hin, okay?«
    Hinter ihrer Stimme, undeutlich im Hintergrund, hört man eine Jungenstimme: »Mama?«
    Die Frau, vom Telefon abgewandt, sagt: »Alles wird wieder gut.« Sie sagt: »Nur keine Panik.«
    Ihre Stimme auf dem Anrufbeantworter, sie sagt: »Rufen Sie mich bitte zurück, okay?« Sie hinterlässt ihre Telefo n nummer. Sie sagt: »Bitte . ..«

25. Juni
    Stell dir vor, wie ein kleines Kind eine Fischgräte malen würde - das Skelett eines Fischs, mit dem Schädel am e i nen Ende und dem Schwanz am anderen. Das lange Rückgrat dazwischen, quer darüber gestrichelt die Ri p pen. Ein Fischskelett, wie man es im Maul von Zeiche n trickkatzen sieht.
    Stell dir diesen Fisch als eine mit Häusern bebaute Insel vor. Stell dir die Schlösser vor, die ein kleines Mädchen, das in einer Wohnwagenkolonie lebt, malen würde - große, aus Stein g e baute Häuser, jedes mit einem Wald von Kaminen auf dem Dach, jedes eine Gebirgskette aus Dächern, Seitenflügeln, Türmchen und Giebeln, die allesamt zu einem Blitzableiter auf der Spitze e m porstreben. Schi e ferdächer. Kunstvolle schmiedeeiserne Zäune. Fantasiehäuser mit klobigen Erkern und Gauben. Und drum herum perfekte Pinien, Rosengärten und rot gepflasterte Bürge r steige.
    Die bourgeoisen Tagträume eines Mädchens vom weißen G e sindel.
    Die ganze Insel entsprach exakt dem, was ein Mädchen, das in einer Wohnwagenkolonie lebte - sagen wir mal, in einem Drec k loch wie Tecumseh Lake, Georgia -, sich erträumen würde. Di e ses Mädchen würde, wenn seine Mutter zur Arbeit war, im Wohnwagen alle Lichter ausmachen. Legte sich auf den verfil z ten orangefarbenen Zotte l teppich im Wohnzimmer, legte sich dort flach auf den R ü cken. Den Teppich, der so roch, wie wenn einer in einen Hundehaufen getreten ist. Das Orange stellenwe i se mit schwarzen Brandflecken, die von Zigaretten he r rühren. Wa s serflecken an der Decke. Sie würde die Arme vor der Brust verschränken und sich das Leben an einem solchen Ort ausm a len.
    Es wäre die Zeit - spät abends -, wenn deine Ohren nach j e dem Geräusch schnappen. Wenn du mit geschlossenen Augen mehr sehen kannst als mit offenen.
    Das Fischskelett. Seit sie zum ersten Mal einen
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