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Das Letzte Protokoll

Das Letzte Protokoll

Titel: Das Letzte Protokoll
Autoren: Chuck Palahniuk
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alt, sagt sie: »Wenn du was sagst, sag ich auch was.«
    Mistys Kunstwerk. Ihr Kind.
    Misty sagt: »Was willst du sagen?«
    Immer noch lächelnd, sagt Tabbi: »Ich habe ihre Kleider in Brand gesteckt. Omi und Opi Wilmot haben mir gesagt, was ich tun soll, und ich habe sie in Brand gesteckt.« Sie sagt: »Sie h a ben mir die Augen zugeklebt, damit ich nichts sehe und da rau s kommen kann.«
    In den Resten von Videomaterial, das erhalten bleibt, sieht man nur noch Rauch aus dem Hoteleingang quellen. Das war unmi t telbar nach der Enthüllung des Wandgemäldes. Feue r wehrleute stürzen hinein und kommen nicht mehr heraus. Polizisten und Gäste, niemand kommt heraus. Mit jeder vom Timecode im V i deo angezeigten S e kunde wird das Feuer größer. Die Flammen schl a gen als orangerote Lappen aus den Fenstern. Ein Polizist kriecht über die Terrasse, um durch ein Fenster zu spähen. G e duckt steht er da und sieht hinein. Dann richtet er sich auf. Der Rauch fährt ihm ins Gesicht, die Flammen versengen ihm Kle i dung und Haare, er steigt über das Fensterbrett. Ohne zu bli n zeln. Ohne mit der Wimper zu zucken. Sein Gesicht und seine Hände brennen. Der Polizist belächelt, was er da drinnen sieht, und geht darauf zu, ohne sich auch nur einmal umzus e hen.
    Nach offizieller Darstellung war der Kamin im Speiseraum Auslöser des Brandes. Die Tradition, dass der K a min immer zu bre n nen habe, egal, wie warm es draußen ist, die sei schuld an dem Brand. Manche starben direkt vor offenen Fenstern. And e re Leichen wurden kurz vor den Ausgängen gefunden. Die meisten jetzt Toten waren auf die Wand im Speiseraum zugekrochen, an der das Riesengemälde brannte. Auf den Bran d herd zu. Auf das, was der Polizist durch das Fenster gesehen hatte. Nicht einer versuchte auch nur ansatzweise zu fliehen.
    Tabbi sagt: »Als mein Vater wollte, dass ich mit ihm weglaufe, habe ich das Omi erzählt.« Sie sagt: »Ich habe uns gerettet. Ich habe die Zukunft der ganzen Insel gere t tet.«
    Tabbi sieht aus dem Autofenster aufs Meer hinaus. Ohne ihre Mutter anzusehen, sagt sie: »Also, wenn du irgendwem was sagst«, sagt sie, »komme ich ins Gefängnis.« Sie sagt: »Ich bin sehr stolz auf das, was ich getan habe, Mu t ter.« Sie schaut auf den Oz e an, ihr Blick folgt der Kurve der Küstenlinie, zurück zum Dorf, zur schwarzen Ruine des Hotels. In dem Menschen, par a lysiert vom Stendhal-Syndrom, bei lebendigem Leib verbrannt sind. Paral y siert von Mistys Riesengemälde.
    Misty schüttelt Tabbis Knie und sagt: »Tabbi, bitte.«
    Und ohne aufzublicken, streckt Tabbi die Hand aus, öf f net die Wagentür und steigt aus. »Ich heiße Tabitha, Mu t ter«, sagt sie. »Von jetzt an nenn mich bitte bei meinem richtigen Namen.«
    Wenn man im Feuer stirbt, verkürzen sich die Muskeln. Die Arme krümmen sich ein, die Hände krümmen sich zu Fäusten, die Fäuste krümmen sich zum Kinn. Die Knie knicken ein. Das kommt von der Hitze. Man nennt das die »Faustkämpferste l lung«, weil man wie ein toter Boxer aussieht.
    Wer im Feuer stirbt, wer lange Zeit im Koma liegt: Sie alle e n den etwa in dieser Haltung. In der Haltung eines B a bys vor der G e burt.
    Misty und Tabitha gehen an der Bronzestatue von Apollo vo r bei. An der Wiese vorbei. Vorbei an dem verfallenden Mausol e um, einem schimmligen, in den Hang gebauten Bankg e bäude mit schief hängendem Eisentor, hinter dem es dunkel ist. Sie g e hen bis ans Ende der Landspitze, und Tabitha - nicht ihre Toc h ter, kein Teil mehr von Misty, jemand, den Misty gar nicht kennt -, eine Fremde, Tabitha steht am Rand der Klippe und schüttet die Urnen über dem Wasser aus. Die lang gezogene graue Wolke aus Staub und Asche wird vom Wind aufgefächert. Und ve r sinkt im Ozean.
    Nur um das festzuhalten: Das Ozeanbündnis für Freiheit hat nichts mehr verlautbart, und die Polizei hat niemanden verha f tet.
    Dr. Touchet hat den einzigen öffentlichen Strand der Insel w e gen Gesundheitsbedenken sperren lassen. Die Fähre hat ihren Dienst auf zwei Fahrten pro Woche eing e schränkt und befördert nur noch Inselbewohner. W a ytansea Island ist für die Außenwelt praktisch geschlo s sen.
    Auf dem Rückweg zum Auto kommen sie an dem Mausol e um vorbei.
    Tabbi... Tabitha bleibt stehen und sagt: »Möchtest du jetzt mal hineinsehen?«
    Das Eisentor, verrostet und schief in den Angeln. Die Dunke l heit dahinter.
    Und Misty sagt: »Ja.«
    Nur um das festzuhalten: Das Wetter heute ist ruhig. Ruhig, e r geben und
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