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Das Letzte Protokoll

Das Letzte Protokoll

Titel: Das Letzte Protokoll
Autoren: Chuck Palahniuk
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Sommerleuten. Vorbei an den Aristokraten von Waytansea I s land. Zurück durch die Lichtung des grünsamt e nen Foyers.
    »Meine Tochter«, sagt Misty. »Sie ist noch da drin. Wir mü s sen sie rausholen.«
    Und Detective Stilton übergibt sie einem Sheriff in einer bra u nen Uniform und sagt: »Ihre Tochter, die Ihrer Au s sage nach tot ist?«
    Die haben ihren Tod vorgetäuscht. Und alle starren sie an, nur Statuen ihrer selbst. Ihre eigenen Selbstporträts.
    Vor dem Hotel, am unteren Ende der Treppe, zieht der Sheriff die hintere Tür eines Streifenwagens auf. Detective Stilton sagt: »Misty Wilmot, Sie sind verhaftet wegen des versuchten Mo r des an Ihrem Mann, Peter Wilmot, und wegen des Mordes an Angel Delaporte.«
    Sie war an dem Morgen, als Angel in ihrem Bett erstochen wo r den war, von oben bis unten mit Blut beschmiert. Angel, der ihr den Mann hatte wegnehmen wollen. Misty, die Peter im Auto in der Garage gefunden hatte.
    Kräftige Hände schieben sie auf den Rücksitz des Streifenw a gens.
    Und aus dem Hotel sagt der Fernsehreporter: »Meine Damen und Herren, gleich kommt es zur Enthüllung.«
    »Nimm sie mit. Fingerabdrücke. Protokoll«, sagt Detective Sti l ton. Er klopft dem Sheriff auf die Schulter und sagt: »Ich geh wieder rein und seh mir an, was das ganze Theater eigentlich zu b e deuten hatte.«

28. August
    Platon zufolge leben wir angekettet in einer finsteren Höhle. Wir sind so angekettet, dass wir nur die hintere Wand der Höhle sehen können. Wir sehen nur die Schatten, die sich da bew e gen. Das könnten die Schatten von etwas sein, das sich vor der Höhle b e wegt. Es könnten auch die Schatten von Leuten sein, die neben uns angeke t tet sind.
    Vielleicht ist das Einzige, was jeder von uns sehen kann, der e i gene Schatten.
    Carl Gustav Jung nennt das Schattenarbeit. Ihm zufolge sehen wir überhaupt niemals andere Menschen. Sondern immer nur Aspekte von uns selbst, die auf die anderen fallen. Schatten. Pr o jekt i onen. Unsere Assoziationen.
    So wie die Maler früher in einem winzigen dunklen Raum s a ßen und die Abbilder von etwas nachzeichneten, was draußen vor einem winzigen Fenster im hellen So n nenlicht stand.
    Die Camera obscura.
    Kein exaktes Abbild, sondern alles umgekehrt oder auf den Kopf gestellt. Verzerrt von Spiegel oder Linse. Unsere begrenzte Wahrnehmung. Unser winziger Erfahrungsschatz. Unsere unz u längl i che Bildung.
    Der Betrachter lenkt die Betrachtung. Der Künstler ist tot. Wir sehen, was wir wollen. Wir sehen, wie wir wollen. Wir sehen nur uns selbst. Der Künstler kann uns nur etwas zum Betrachten g e ben.
    Nur um das festzuhalten: Deine Frau ist verhaftet wo r den.
    Aber sie hat es getan. Sie haben es getan. Maura. Constance. Und Misty. Sie haben ihr Kind gerettet, deine Tochter. Sie hat sich selbst gerettet. Sie haben alle gerettet.
    Der Sheriff in seiner braunen Uniform brachte Misty auf der Fähre zum Festland. Unterwegs klärte er sie über ihre Rechte auf. Er übergab sie einer Polizistin, die ihr die Fi n gerabdrücke und ihren Ehering abnahm. Misty war noch immer in ihrem Hoc h zeitskleid, und die Polizistin nahm ihr die Handtasche und die Stöckelschuhe weg.
    Ihr ganzer Schrottschmuck, Mauras Schmuck, ihrer aller Schmuck liegt jetzt wieder im Haus der Wilmots in Tabbis Schuhkarton.
    Die Polizistin gab ihr eine Decke. Sie war in ihrem Alter, ihr G e sicht ein Tagebuch aus Falten um die Augen und zwischen Nase und Mund. Die Polizistin sah auf die Formulare, die Misty au s füllte, und sagte: »Sie sind Künstl e rin?«
    Und Misty sagte: »Ja, aber nur für den Rest dieses Lebens. D a nach nicht mehr.«
    Die Polizistin führte sie durch einen alten Betonflur zu einer E i sentür. Sie schloss auf und sagte: »Kein Licht mehr.« Sie stieß die Tür auf und trat hinein, und genau da sah Misty es.
    Was sie einem auf der Kunstakademie nicht beibringen. Dass man immer in der Falle sitzt.
    Dein Kopf ist die Höhle, deine Augen sind der Höhle n eingang. Du lebst in deinem Kopf und siehst nur, was du willst. Du siehst nur die Schatten und machst dir ein eigenes Bild da r aus.
    Nur um das festzuhalten: Da war es. In dem großen Rechteck aus Licht, das durch die Tür in die Zelle fiel, stand an die gege n übe r liegende Wand geschrieben: Wenn du hier bist, hast du wieder versagt. Unterschrift: Constance.
    Die Handschrift gewölbt und gespreizt, liebevoll und fürsor g lich, genau ihre Handschrift. Und zwar hier an di e sem Ort, wo Misty noch nie gewesen ist, wo
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