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Das Leben und das Schreiben

Das Leben und das Schreiben

Titel: Das Leben und das Schreiben
Autoren: Stephen King
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als Dave sein Projekt für die naturwissenschaftliche Ausstellung aufbaute. Mein großer Bruder gehörte zu den Jungen, die sich nicht damit zufriedengaben, Diagramme von Fröschen auf Millimeterpapier zu zeichnen oder das Haus der Zukunft aus Tyco-Plastikbausteinen und angemalten Toilettenpapierrollen zu basteln. Dave griff immer nach den Sternen. Sein Projekt in dem Jahr hieß Daves Super-Duper-Elektromagnet. Mein Bruder hatte eine große Schwäche für Dinge, die super-duper waren und mit seinem Namen anfingen; letztere Vorliebe gipfelte in Dave’s Rag, wozu wir noch kommen werden.
    Das erste Experiment mit dem Super-Duper-Elektromagneten war allerdings gar nicht so super-duper. Vielleicht funktionierte es auch überhaupt nicht, das weiß ich nicht mehr genau. Die Idee dazu stammte aus einem richtigen Buch, war also nicht Daves Fantasie entsprungen. Die Idee lautete wie folgt: Man magnetisierte einen Nagel, indem man ihn an einem Magneten rieb. Die magnetische Aufladung des Nagels sei zwar nur schwach, stand im Buch, doch reiche sie aus, um ein paar Eisenspäne aufzuheben. Wenn man das probiert hatte, sollte man den Nagel mit Kupferdraht umwickeln und beide Enden des Drahtes an die Pole einer Trockenbatterie halten. Dem Buch zufolge verstärkte der Strom den Magnetismus, sodass man viel mehr Eisenspäne anziehen konnte.
    Dave jedoch wollte sich nicht mit einem Haufen dusseliger Metallspäne zufriedengeben; er wollte Autos, Güterwagen, wenn möglich sogar Transportflugzeuge der Armee anheben. Dave wollte den Saft andrehen und die Erde aus ihrer Umlaufbahn werfen.
    Peng! Super!
    Beim Bau des Super-Duper-Elektromagneten hatten wir die Aufgaben zwischen uns aufgeteilt. Dave war verantwortlich für die Konstruktion, ich sollte ihn testen. Klein Stevie King war Stratfords Antwort auf den Piloten Chuck Yeager, der als Erster die Schallmauer durchbrach.
    Daves Version des Schulbuchexperiments überging die lahme alte Batterie (die seiner Meinung nach sowieso schon leer war, als wir sie im Eisenwarenladen kauften) zugunsten des richtigen Stroms aus der Steckdose. Er schnitt das Kabel einer alten Lampe ab, die jemand mit dem Müll an die Straße gestellt hatte, trennte die gesamte Ummantelung bis zum Stecker ab und umwickelte den magnetisierten Nagel mit dem freigelegten Draht. Dann reichte er mir in der Küche unserer Wohnung in der West Broad Street den Super-Duper-Elektromagneten und bat mich, meines Amtes zu walten und ihn anzuschließen.
    Ich zögerte (wenigstens das muss man mir zugutehalten), doch am Ende sprang Daves manische Begeisterung auf mich über. Ich steckte den Stecker in die Steckdose. Eine magnetische Aufladung war nicht festzustellen. Stattdessen gingen alle Lichter und elektrischen Geräte in unserer Wohnung, alle Lichter und elektrischen Geräte in unserem Haus und alle Lichter und elektrischen Geräte im Nachbarhaus aus (wo mein Traummädchen im Erdgeschoss wohnte). Der Transformator draußen machte ein lautes Geräusch, und es kamen ein paar Polizisten. Eine furchtbare Stunde lang beobachteten Dave und ich das Treiben vom Schlafzimmerfenster unserer Mutter aus, das als einziges auf die Straße ging (alle anderen Fenster blickten auf einen graslosen, mit Hundedreck übersäten Hinterhof, auf dem nur eine räudige Töle namens Roop-Roop lebte). Als die Polizisten gingen, kam ein Wagen vom E-Werk. Ein Mann mit nagelbeschlagenen Schuhen kletterte auf den Mast zwischen den beiden Wohnhäusern, um den Transformator zu untersuchen. Unter anderen Umständen hätte uns dieses Schauspiel gefesselt, aber an dem Tag nicht. An diesem Tag beschäftigte uns nur ein Gedanke: ob wir bei der Rückkehr unserer Mutter schon in der Besserungsanstalt steckten. Irgendwann gingen die Lichter wieder an, und der Wagen vom E-Werk fuhr fort. Wir wurden nicht erwischt, durften uns weiter durchs Leben schlagen. Dave beschloss, für das Schulprojekt statt des Super-Duper-Elektromagneten einen Super-Duper-Segelflieger zu bauen. Ich dürfte den ersten Flug machen, bot er mir an. Wäre das nicht toll?

11
     
    Ich wurde 1947 geboren; unseren ersten Fernseher bekamen wir 1958. Soweit ich mich erinnere, habe ich darin als Erstes ROBOT MONSTER gesehen , einen Film, in dem ein Typ in einem Affenkostüm und mit einem Goldfischglas auf dem Kopf (er hieß Ro-Man) herumlief und versuchte, die letzten Überlebenden eines Atomkriegs zu töten. Meiner Meinung nach war das ziemlich hochwertige Kunst.
    Außerdem sah ich HIGHWAY PATROL mit
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