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Das Leben nach dem Happy End

Das Leben nach dem Happy End

Titel: Das Leben nach dem Happy End
Autoren: Pia Juul
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hinter Brandts Haus. Ein Hund. Das Licht brennt immer noch nicht. Warum sollte jemand hier sein. »Hallo?«, sage ich. Lauert dort im Dunkeln ein Ungeheuer?
    »Was machst du denn da?«, frage ich. In einer Ecke auf dem Fußboden sitzt etwas Dunkles. Es räuspert sich.
    »Abby sagt … dass es nicht den Eindruck macht, als ob du trauern würdest.«
    »Sagt sie das?«
    »Du treibst dich herum und trinkst und tanzt und flirtest und küsst den Nachbarn.«
    »So was sagt Abby nicht.«
    »Du hast wieder angefangen zu trinken.«
    »Ich trinke nicht.«
    »Du trauerst nicht.«
    »Davon hat Abby keine Ahnung.«
    »Trauerst du?«
    »Was geht dich das an?«
    Ich greife das Ungeheuer an. Wir kullern auf dem Boden herum, er oben, ich unten, dann umgekehrt. Die Fenster sind von der hellen Nacht erleuchtet, doch hier unten auf dem Wohnzimmerfußboden ist es dunkel, ich erhasche ein Stück von seinem Nasenrücken. Ich erkenne ihn nicht wieder. Es tut weh. Prügeln wir uns? »Ach!«, sage ich. Mein Zeigefinger streift seinen Nacken, das genügt. Ich weiß, wer er ist. Ich habe keine Angst. Dies ist kein Traum, bald muss ich mich zusammenreißen. Ich liege dicht an seinem Rücken und weiß nicht, ob er schläft. Ich wache davon auf, dass er über mein Gesicht hinwegkrabbelt. Ich tue so, als schliefe ich noch immer, doch jetzt bin ich wach. Er steht aufgerichtet, drüben am Fenster, der Himmel leuchtet schwach, doch es ist Nacht. Er kriecht zu mir zurück, legt sich jedoch in die andere Richtung. Was will er? Er greift nach meinem Fuß und versucht den Mund so zu öffnen, dass meine Ferse zwischen seine Lippen passt. So liegt er da, mit meiner Ferse im Mund, und ich tue so, als würde ich schlafen. Was will er, denke ich. »Hau ab«, flüstere ich. »It’s better to have loved and lost … than never to have loved at all.« Seine Stimme bebt, als er dort sitzt und auf mich hinabsieht. »Ach, halt den Mund«, sage ich. »Hau ab.« »Ich habe gewartet und gewartet.« »Worauf?« »Auf dich.« »Wie schade«, sage ich.

33
    »Sie bereitete ihren Bruder so behutsam wie möglich
auf die Aufgabe vor, die ihm bald bevorstand.
Dann nahm sich Charles einen Tag frei, sie packte
ihre Zwangsjacke ein, und zusammen gingen sie
zur Anstalt, wo sie bleiben würde, bis es ihr besser ging.«
    Vom Teufel geküsst: Die Geschichte der Mary Lamb, Kathy Watson
    Ich ging mit der Wäsche ins Freie. Über den kalten Waschküchenboden und hinaus in das feuchte Gras. Die Sonne schien. Der Fjord war blau. Alles sah klar aus, doch es war nicht klar. Ich hängte das Bettzeug auf die Leine. Ein leichter Wind bewegte es. In der Frühe hatte ich den Beginn einer Erzählung geschrieben. Nur eine Seite. Ich konnte Ingers Stimme hören, meinen Namen, Funders Stimme, sie hatten mich nicht bemerkt, ich zog die Wäscheleine ein Stück nach unten und beobachtete sie im Schutz der Laken. Ingers Haar war angegraut und zottig, was mich wunderte. Funder wirkte aus dieser Perspektive ein wenig bucklig, sein Hemd war feuergrün, falls Feuer grün sein konnte. »Hallo!«, rief ich. Sie kamen näher. Sie sprachen über Brandt.
    »Wo ist er jetzt?«, fragte ich.
    »Er ist bei sich, er schläft. Sein Gast war abgereist, sodass er jetzt allein ist«, sagte Inger. »Gestern Abend saß er plötzlich auf der Bank, ich habe keine Ahnung, wo er herkam. Er saß einfach nur da und sagte nichts. Ich glaube, er ist krank.«
    Natürlich war er krank. »Er war ja auch eingesperrt«, sagte ich.
    Funder schob seine Sonnenbrille in die Stirn. »Woher wissen Sie das, er hat doch bisher nichts gesagt?« Er blinzelte.
    »Unten am Hafen, in dem alten Lagerhaus«, sagte ich.
    »Mal wissen Sie nichts, dann wissen Sie alles«, sagte er.
    »Es liegt daran, dass ich ihn geküsst habe«, sagte ich.
    Funder schüttelte den Kopf.
    »Sie haben Brandt geküsst?«
    »Ich kann alles erklären.«
    Er deutete mit dem Finger auf mich. »Ich komme gleich zu Ihnen«, sagte er.
    »Ja, tun Sie das«, sagte ich.
    Auf meinem Sofa lag Troels. Ich reichte ihm einen Becher Kaffee, setzte mich neben ihn und sah ihn an. »So eifersüchtig kann man doch in deinem Alter gar nicht sein, und schon gar nicht wegen einer solchen Kleinigkeit«, sagte ich. »Du bist nicht ganz richtig im Kopf. Bist du dir darüber im Klaren, dass du dafür ins Gefängnis kommen kannst?«
    Er antwortete nicht.
    »Wo wohnst du überhaupt zurzeit?«
    »Ich übernachte im Lagerhaus, ich habe es gekauft.«
    »Du hast es gekauft?«
    »Ja.«
    »Ich dachte, ich
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