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Das Leben nach dem Happy End

Das Leben nach dem Happy End

Titel: Das Leben nach dem Happy End
Autoren: Pia Juul
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Mittlerweile kannte ich einige Raubvögel. Ich konnte den Unterschied zwischen einer Lachmöwe und einer Seeschwalbe erkennen und wusste, wie das Wintergefieder der Lachmöwe aussah. Vor allem am Anfang hatte ich zugehört. Als ich das Buch zum Sofa trug, fiel ein Zettel heraus. Es war Hallands Handschrift. Apus apus , stand dort. Der Mauersegler verbringt den Großteil seines Lebens im Flug. Futter und Material zum Nestbau holt er sich aus der Luft; er kann trinken und baden, ohne zu landen, und ist dafür bekannt, auch die Nächte fliegend zuzubringen. Normalerweise unterbricht ein Mauersegler seinen Flug nur, um zu brüten. Wenn die Jungen das Nest verlassen, kann es sein, dass sie erst drei Jahre später landen, um wiederum selbst ein Nest zu bauen. ICH.
    ICH ? Was bedeutete das. Ich? Ich las den kurzen Absatz laut und fand, er klang wie Poesie, die mich mit Freude und Trauer erfüllte, doch Halland war ja kein Dichter, und es war sicherlich einfach nur wahr, was dort stand. Aber Ich? »Hör doch auf!«, rief ich. »Hör doch endlich auf!«

30
    »Nur wenn man putzt und abstaubt,
fliegt der Staub herum.Wenn man ihn in Ruhe läßt,
bleibt er schön dort liegen, wo er ist.«
    Edvard Munch,
zitiert nach Rolf E. Stenersen
    Es war Montag. Okay. Hatte der Alltag jetzt begonnen? Ich war arbeiten gewesen, könnte man sagen, zwar hatte ich das nicht ganz so gut gemeistert, aber es war ein Anfang.
    Wenn der Alltag begonnen hatte, sollte ich besser Wäsche waschen. Ich füllte die Waschmaschine. Dann konnte ich spazieren gehen, einkaufen und mich an den Schreibtisch setzen und schreiben, wenn ich zurückkam. Stattdessen kochte ich Kaffee und ging nach oben. In Hallands Zimmer lag Martin Guerre noch immer zusammengerollt, und auf dem Tisch der Stapel mit den nachgesendeten Briefen. Seit ich sie erhalten hatte, spukten sie in meinem Hinterkopf herum, jetzt riss ich sie mit einem Finger auf und zog die Seiten heraus, legte sie übereinander und las einen nach dem anderen, zählte sie, sah sie noch einmal durch. Mahnungen. Allesamt. In einem der Briefe war zu lesen, dass unser Telefon abgestellt werden würde. Als ich nach unten ging und den Telefonhörer hob, war die Leitung tatsächlich tot. Ausgerechnet jetzt?
    Ich weiß alles. Ich wusste doch alles über Halland, meine große Liebe. Hasste ich Halland? Es fühlte sich so an, als ich quer über den Platz ging und mir gleichzeitig einen Pullover über den Kopf zog. Ich betrat die Bank auf der Hauptstraße und ging ohne nachzudenken weiter zu den Tischen hinter den Schaltern, wo Kirsten saß. Sie stand auf, als wolle sie mich begrüßen, fasste mich sanft am Ellbogen und führte mich in ein Büro im hinteren Teil des Raumes.
    »Habt ihr Hallands Konto gesperrt? Ist es so, dass alles gesperrt wird, sobald man stirbt? Ich habe kein Geld, warum hat mich niemand gewarnt?«
    Ruhig, ganz ruhig, sie schenkte mir Kaffee ein, legte den Kopf schief und sagte: »Was ist denn los?«
    »Unser Telefon wurde abgestellt!«
    »Das geht aber doch nicht so schnell«, sagte sie. »Gib mir mal Hallands Personenkennziffer.«
    Sie blickte erst auf den Bildschirm und las, dann sah sie mich wieder an.
    »Was?«
    »Es sieht so aus, als hätte Halland schon vor einiger Zeit alle Daueraufträge gelöscht. Habt ihr sie denn stattdessen auf deinem Konto eingerichtet?«
    »Wenn wir das getan hätten, wäre es nicht sinnvoll gewesen, denn da ist nie besonders viel drauf.« Ich gab ihr meine Personenkennziffer. »Nein, auf deinem Girokonto sind zweitausendsiebenhundert Kronen. Aber auf deinem Zinskonto …«
    »Das ist meine Steuerrücklage …«
    »Soll da denn über eine halbe Million drauf sein?«
    »Ist das so?«
    Sie nickte und klickte.
    »Wo kommt die denn her?«
    »Von Halland«, sagte sie. »Er hat vor einem Monat eine große Summe überwiesen, wusstest du das nicht? 450.000 Kronen.«
    Wusste ich das nicht? Ich stand auf, ging durch die Bank hinaus und nach Hause.
    »Wenn die Nummer Sie erneut kontaktiert«, hatte Funder geschrieben. Jetzt hatte die Nummer mich kontaktiert, das konnte man wohl sagen. All das Geld!
    »Was soll das denn?«, schrie ich, als ich mich wieder zu Hause im Wohnzimmer befand. Ich sagte nicht: Ach, es half ja nichts. Es war unmöglich, dass Halland gewusst hatte, dass er sterben würde. Ebenso unmöglich war es, dass er sich gewünscht hatte zu sterben. Ich kannte ihn ja. Er hatte darum gekämpft, seine Krankheit zu überleben. Aber er hatte einen Plan gehabt. Es gab etwas, das
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