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Das Leben nach dem Happy End

Das Leben nach dem Happy End

Titel: Das Leben nach dem Happy End
Autoren: Pia Juul
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verstehe ich auch nicht.«
    »Warum hast du uns nie besucht?«
    »Ich weiß auch nicht, es war ja irgendwie nicht notwendig, weil er so oft hierherkam. Du klingst so wütend, aber ich kann doch nichts dafür?«
    »Und warum sollte er bei der Geburt dabei sein?«
    »Das hat er angeboten, er hatte ja keine Kinder, tja, vielleicht wollte er es einfach gern mal erleben? Eine Geburt sehen? Ich freute mich, ich hatte ja sonst niemanden.«
    »So ein Quatsch!«, schrie ich und legte auf. Was nun? Lesen. Ich musste ein Buch finden. Wolf. Etwas Ruhiges, meditativ Melancholisches und Schönes. Ich legte mich aufs Sofa und schlug Seite 47 auf. Darüber Schweigen. Das alles fand noch einmal in unseren Köpfen statt . Schon ging es mir besser, meine Hände zitterten nicht mehr.

31
    »Sag was, Pierrot!«
    Eine Kinderschar im Tivoli
    Hinterher. Weiß man natürlich immer, was man hätte sagen sollen. Doch als ich bei Inger hereinstürmte, bemerkte ich zunächst nicht, dass auch hier der Strom ausgefallen war, denn es war ja nicht richtig dunkel. Ich ging Ingers Stimme nach. In einem Kandelaber in der Küche brannten vier Kerzen, und als ich erkannte, dass der Mann, der Inger gegenübersaß, Brandt war, warf ich mich auf ihn, ja ich ging förmlich vor ihm in die Knie und schlang meine Arme um ihn, so gut ich konnte, denn er stand nicht auf.
    »Brandt!«, rief ich. Im selben Moment fiel mir siedend heiß ein, dass er vor kurzem zu mir gesagt hatte Kannst du nicht damit aufhören, mich Brandt zu nennen, jetzt, wo Halland tot ist? Mir war, als hätte er es in einem Auto gesagt. Wann? Doch alle nannten ihn Brandt, auch Inger.
    Jetzt sagte ich nicht: Wo warst du so lange? oder Wie geht es dir? Was ist passiert? Ich begann zu weinen und schreien: »Warum? Warum musste er sterben? Es ergibt doch überhaupt keinen Sinn, kannst du dich erinnern, wie krank er war?« Ich lag auf seinem Knie und weinte, und es dauerte eine Weile, bis mir bewusst wurde, dass er nicht reagierte. Inger fasste mich an den Schultern und wollte mich dazu bewegen aufzustehen. »Du musst ein bisschen vorsichtig sein. Er ist gerade gekommen, er spricht überhaupt nicht. Komm. Setz dich hierher.«
    So saßen wir drei im flackernden Kerzenschein und sahen einander in die überschatteten Gesichter. Ich begann, Brandt eingehender zu betrachten, der unrasiert war und meinen Blick nicht erwiderte. Jetzt kamen mir die richtigen Fragen, doch als ich sie stellen wollte, fiel mir ein, dass ich aus der Haustür gerannt war, ohne abzuschließen. Das Wachs tropfte. Es zog. Hatte ich die Tür nicht hinter mir geschlossen, als ich kam? Und hatte ich überhaupt meine eigene Haustür zugezogen? Ich verspürte einen Drang, nach Hause zu gehen und nachzusehen.
    »Wann bist du gekommen? Wo warst du?«, fragte ich.
    Er schwieg, und Inger antwortete.
    »Er ist gerade erst gekommen, aber er spricht nicht.«
    »Hast du die Polizei angerufen?«
    Brandt wandte sich um.
    » … dieses abscheuliche Mannsbild«, murmelte er.
    »Wer?«, fragte ich.
    Er hob die Hand und deutete auf mich.
    »Ich?«
    »Warum bist du nicht gekommen?«, fragte er.
    »Wohin?«
    »Du hattest es versprochen!«
    »Was habe ich versprochen?«
    »Dort draußen.«
    Brandt sah an mir vorbei. Es machte den Anschein, als bereitete ihm der kleinste Satz große Anstrengung.
    »Er hatte doch zu dir gesagt … dass du dorthin kommen solltest!«
    Ich sah Inger an. » Was hätte ich tun sollen? Wo, dorthin?« Ich sah Brandt an. »Ich verstehe nicht, wovon du sprichst. Willst du nicht … Kannst du nicht …«
    »Abscheulich!«, sagte er.
    »Wer?«
    »Ich will nach Hause!«, sagte er.
    Inger stand auf und blickte aus dem Fenster. »In der halben Stadt ist der Strom ausgefallen«, sagte sie. »Ich bringe dich nach Hause, sobald er wieder funktioniert.«
    »Deswegen bin ich eigentlich gekommen«, sagte ich. »Ich dachte, sie hätten mir den Strom abgestellt, weil wir nicht bezahlt haben. Ich glaube, ich habe nicht mal die Tür hinter mir zugezogen. Ich gehe kurz nach nebenan und sehe nach, dann komme ich wieder.« Aber ich wollte einfach nur zu mir gehen. Brandt war merkwürdig, und ich verstand nicht, was er sagte. Er folgte mir mit dem Blick. »Ich verstehe nicht, wovon du sprichst!«, sagte ich.

32
    »in favorem tertii: zugunsten Dritter«
    Juristisches Wörterbuch Meine Haustür ist angelehnt.
    Als ich sie aufschiebe, kommt etwas herausgestürmt und kollidiert mit meinen Beinen, sodass ich beinahe umfalle, es winselt und verschwindet
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