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Das Leben nach dem Happy End

Das Leben nach dem Happy End

Titel: Das Leben nach dem Happy End
Autoren: Pia Juul
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hätte dich vergessen, aber ich kenne dich in-und auswendig.« Sein Wangenmuskel arbeitete. »Heute Morgen habe ich den Laptop mit ins Bett genommen und die erste Seite einer Erzählung geschrieben, die von dir handelt. Sie soll Bevollmächtigter heißen.«
    »Ich bin doch kein Bevollmächtigter?«
    »Doch, auf deine ganz eigene Weise bist du es. Bleib liegen, dann werde ich sie dir vorlesen.«
    Er schloss die Augen, der Muskel arbeitete. Ich las: Dieses Bett sah aus, als hätte ein Mord darin stattgefunden.
    Bevor ich das kleine Zimmer verließ, lehnte ich mich an den Türrahmen und betrachtete das Laken, ein Indiz, mit Blut und Kot befleckt. Eine gewisse Zufriedenheit machte sich in meinem Körper breit. Draußen schneite es. Der Anwalt verließ gerade die Nachbarbaracke und schlitterte über den vereisten Plattenweg, er fröstelte, er sah nicht, dass ich ihm zuwinkte. Wenn der wüsste. Dass der Bevollmächtigte in der Nacht das kleine Fenster eingeschlagen, Fräulein Slot zu Tode erschreckt und mir mein Leben zurückgegeben hatte.
    Der Bevollmächtigte war ein gesunder junger Mann. In der Nacht war er splitternackt und blutig auf den Korridor getaumelt, um eine Dusche zu suchen, und hatte Fräulein Slot gefunden. Fräulein Slot hatte ein schwaches Herz. Ich lag inmitten des Blutbads, sah sein hervorragendes Profil in der Dämmerung, biss in eine saubere Ecke des Kissens und weinte, während ich lachte. Ihre Schreie werde ich nie vergessen. Oder seine verlegene Energie, als er nass und rein ins Bett zurückkehrte. Er weiß überhaupt nicht, wer ich bin. Es wundert mich so, dass er es gar nicht wissen möchte. Auf der anderen Seite weiß ich ja am besten, wie wenig es im Grunde über mich zu wissen gibt, also stelle ich mich auch nicht zur Schau.
    Ich kicherte. Troels drehte sich um und blickte mich verletzt an. »So schreibt doch keine trauernde Witwe, so schreibt ein Teenager! Abby hat recht! Du trauerst nicht!«
    »Das hat überhaupt nichts miteinander zu tun!«
    »Das handelt überhaupt nicht von mir.«
    »Doch, das tut es, im übertragenen Sinn. Aber von damals, als ich dich kannte, als du noch jung und fröhlich warst.«
    »Das ist aber verdammt lange her«, flüsterte er.
    »Stimmt.«
    »Vielleicht handelt sie mehr von dir als von mir.«
    »Nein, nein, nein, sie handelt von dir!«
    Es läutete an der Tür. »Nanu!«, sagte ich und sprang auf. »Jetzt kommt die Polizei.«

34
    »Da war ich nun und überlegte, warum der alte
Händel oder sein Librettist nicht dazu in der Lage
gewesen waren, die Dinge einmal auszusprechen
und dann auf sich beruhen zu lassen. Jede Zeile
im Messias schien sich unablässig zu wiederholen.«
    Rumpole und die schöne neue Welt , John Mortimer
    Es war Mittwochmorgen.
    Die Kohlmeisen zwitscherten.
    Ich hatte die Laken am Vortag nicht abgehängt, und jetzt waren sie klamm vom Tau. Brandt saß mit einer Wolldecke über sich im Korbstuhl.
    »Hallo«, sagte ich so liebevoll ich konnte und trat durch das Loch in der Hecke. »Hallo«, sagte er. »Geht es dir besser?« Er zuckte mit den Schultern und spitzte den Mund, als hätte er in etwas Saures gebissen.
    »Entschuldigung«, sagte ich. »Ja«, sagte er. Ich legte meine Hand auf seine Wange. Erst zog er sie ein Stück weg, doch dann schmiegte er sich an meine Handfläche und seufzte.
    »Ich hatte Besuch von meiner Tochter!«
    »Wirklich?« Sein Gesicht erhellte sich etwas.
    »Sie mochte deinen Gast!«
    Er nickte und sah an mir vorbei.
    »Aber mochte sie dich? «
    Das war keine dumme Frage. Ich antwortete nicht.
    »Sie hat mir eine Postkarte geschrieben!«
    »Sieh einer an!« Er klang wie ein altes Weib.
    »Im Gegensatz dazu hat sich meine Kusine von mir abgewandt. Sie hat auch geschrieben, einen ganzen Brief! Ich hatte vergessen, ihr zu erzählen, wann Halland beerdigt wurde. Jetzt meint sie, nichts mehr mit mir zu tun haben zu wollen.«
    »Wie konntest du auch nur vergessen, es ihr zu erzählen, deiner einzigen Freundin?«
    »Sie schreibt, ich würde nur an mich selbst denken.«
    »Damit könnte sie gut und gerne recht haben«, sagte Brandt. »Ich habe auch nicht so richtig das Gefühl, dass du dich nach meinem Befinden erkundigst?«
    »Ich traue mich nicht.«
    »Aber es war doch nicht deine Schuld.«
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    »Nein, das weißt du ja nie.«
    »Nicht?«
    »Affektiertheit!« Er schnaubte. Jetzt sah er auch ein wenig aus wie ein altes Weib.
    »Dein Gast hat sich große Sorgen gemacht!«
    »Er heißt Joachim,
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