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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise
Autoren: Auma Obama
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auch nicht wirklich anders geworden, als mein Bruder Senator wurde. Deshalb machte ich mich nun im Schnellverfahren mit der amerikanischen Politik vertraut. Alles, was ich dabei lernte, konnte mir helfen, mit den Veränderungen in meinem Leben zurechtzukommen. Dazu gehörte schließlich die aktive Teilnahme am Wahlkampf, bei dem ich dazu beitragen wollte, dass mein Bruder sein Ziel erreichte.
    Also war ich im Januar 2008 in die Staaten geflogen und verbrachte dort mehrere Wochen als Mitstreiterin bei der Vorwahlkampagne. Akinyi hatte ich mitgenommen – Marvin sollte später dazukommen –, und sie erlebte, wie ihr Onkel im Bundesstaat Iowa gewann. Ich lernte viele Anhänger meines Bruders kennen, nicht nur in Iowa, sondern auch in New Hampshire und South Carolina.
    Die Beteiligung am Wahlkampf war für mich ein besonderes Erlebnis. Zum ersten Mal begegnete ich der Vielfalt Amerikas und konnte erfahren, was die Amerikaner quer durch alle Gesellschaftsschichten bewegte. Die Geschichten der Menschen faszinierten mich. So traf ich einen Republikaner, der mir fast weinend vor Rührung erzählte, er habe sich als Demokrat registrieren lassen, nur um meinen Bruder wählen zu können. Dann gab es da die Familie aus Los Angeles, die sich samt Großmutter und Großvater aus ihrer sonnigen kalifornischen Heimat verabschiedet hatte, um im winterlichen Iowa ein Obama-Büro zu managen. Ich bewunderte ihre Begeisterung für die Bewegung, die mein Bruder in Gang gesetzt hatte. Sie waren noch nie zuvor in Iowa gewesen, und nun klopften sie in fremden Orten bei Minusgraden an fremde Türen. Mit der gleichen Begeisterung mussten auch die beiden Studenten, denen ich im Obama-Wahlkampfbüro in De Moines, der größten Stadt von Iowa, begegnete, ihr Zuhause verlassen haben. Der eine stammte aus Deutschland, der andere aus Südafrika! Beide hatten sich eine einjährige Auszeit genommen, um sich an der Wahlkampagne zu beteiligen.
    »Wieso macht ihr das? Ihr könnt doch gar nicht wählen«, fragte ich sie verwundert.
    »Das macht nichts«, erwiderte der junge Deutsche. »Diese Wahlen sind mir zu wichtig, als dass ich nur danebenstehen und zuschauen könnte, was passiert. Die Welt braucht dringend einen Obama, und ich will dafür sorgen, dass wir ihn bekommen.«
    Der Südafrikaner nickte zustimmend. »Es geht nicht nur um die Amerikaner. Es geht um uns alle«, meinte er. »Wir dürfen nichts dem Zufall überlassen.«
    Darauf fiel mir nichts mehr ein. Ich war tief beeindruckt. Diese jungen Leute hatten den amerikanischen Wahlkampf für mich in ein ganz neues Licht gerückt. Die Kampagne begann gerade erst, und schon beteiligte sich die ganze Welt daran. Auf einmal hatte ich das Gefühl, als gehörte ich zu einer größeren Familie, als bewegte ich mich in einer geschützten Sphäre, in der wir alle für ein und dieselbe Sache kämpften. Keiner von uns wollte die Primaries , die Vorwahlen, verlieren, das war überdeutlich zu spüren. Wir alle wussten und vertrauten darauf, dass wir unser Bestes geben würden, damit Baracks » change « Wirklichkeit werden konnte.
     
    Am 20 . Januar 2009 wurde mein Bruder Barack der 44 . Präsident der Vereinigten Staaten. Seit seinem Sieg ging mir immer wieder ein Satz durch den Kopf: »Er hat es geschafft!« Und das Schönste daran war, dass er, als er durch die Tür des Präsidentenamts trat, diese weit offen ließ.
    Seine Amtseinführung war in der Tat ein Ereignis von neuem, unerhörtem Ausmaß! Ich freute mich riesig für ihn und blickte der Reise zu den Feierlichkeiten freudig entgegen. Nicht zuletzt deshalb, weil ich die Inauguration gemeinsam mit unseren beiden Familien, der kenianischen und der amerikanischen, erleben würde. Das gab mir das Gefühl, dass auch unser verstorbener Vater in gewisser Weise dabei sein und miterleben würde, wie sein Sohn auf das Amt des mächtigsten Mannes der Welt eingeschworen wurde.
    Dass in Washington Minusgrade herrschten, störte uns alle nicht wirklich, dafür waren wir einfach viel zu aufgeregt. Als Familienangehörige erfuhren wir natürlich gewisse Erleichterungen, so waren wir nicht auf den öffentlichen Verkehr angewiesen, sondern hatten Pkws und Fahrer zu unserer Verfügung. Inmitten von über zwei Millionen Menschen, etlichen Straßensperrungen und Umleitungen war das ein Segen. Unsere Großmutter Sarah, inzwischen zum dritten Mal in den USA , nahm alles mit beeindruckender Gelassenheit hin, nicht nur die große Kälte, sondern auch den Umgang mit den
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