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Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Titel: Nachtwesen - Die Vollstreckerin
Autoren: Sabine Pagel
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Prolog
    In einer kalten Nacht waren an der Küste des kleinen Städtchens Nocrya all jene versammelt, welche der Abreise der Vollstreckerin beiwohnen wollten. Ihre schwarzen Umhänge bewegten sich im Wind, der über das Meer ans Land wehte. Ihre Gesichter waren im fahlen Schein der Fackeln unter den tief sitzenden Kapuzen nicht zu erkennen. Still standen sie um den kurzen Steg herum, an dessen Fuße ein kleines Boot auf den Wellen tanzte.
    Es wartete darauf, seine einzige Passagierin zu dem Segelschiff hinüber zu bringen, das weiter draußen nur als schemenhafter Umriss in den dunklen Wogen zu sehen war. Die Menge teilte sich murmelnd, als sie in Sicht kam und sich dem Steg näherte. Fest waren die Schritte ihrer nackten Füße und ihre ganze Haltung ließ keinen Zweifel darüber, dass sie ihre Mission erfüllen würde. Vor den Holzplanken blieb sie stehen und sah sich um, als wartete sie auf etwas.
    Dann strich sie mit gelassener Bewegung die Kapuze ihres Umhanges zurück und gab den Blick auf langes, weißes Haar frei. Wie ein Schleier rahmte es ihr elfenbeinfarbenes Gesicht ein. Suchend blickten ihre glashellen Augen umher, bis sie schließlich auf einer großen Männergestalt zur Ruhe kamen, welche langsam aus der Menge heraus auf sie zu trat.
    Ohne dass auch nur ein Wort gesprochen wurde, zog jener unter seinem Umhang eine Axt hervor und reichte sie ihr. Im Mondschein glänzte das Silber der Schneide hell auf und ließ erahnen, um welch kostbare Handwerkskunst es sich hier handelte. Der hölzerne Stiel war eher schlicht gehalten, lediglich einige seltsame Zeichen zierten ihn.
    Stille kehrte ein, als sie die Waffe ergriff und sich dabei ehrfürchtig vor dem Mann verneigte. Dann hob sie die Axt über ihren Kopf und sah auf die Menge der Anwesenden. Das Gemurmel erhob sich von neuem und schwoll langsam an. Arme wurden gehoben und Fäuste geschüttelt. Ganz ohne Frage war ein Jeder hier der Meinung, das gesprochene Urteil sei gerechtfertigt und müsse vollstreckt werden.
    Als die Stimmen wieder leiser wurden, senkte sie die Axt und schritt hoch erhobenen Hauptes den Steg entlang, dem Boot entgegen. Die Gasse, welche sich für sie geöffnet hatte, schloss sich hinter ihr. Vom Boden des Kahns erhob sich eilig ein Schiffsjunge. Diese Zusammenkunft düsterer Gestalten trieb ihm kalte Schauer über den Rücken - und so hatte er es vorgezogen, zusammengekauert zu warten, bis seine Dienste in Anspruch genommen würden.
    Nun reichte er der Dame artig eine schmutzige Hand hinauf, um ihr beim Einsteigen in das schwankende Boot behilflich zu sein. Ihre Finger waren kalt, ebenso wie der Blick ihrer hellen Augen. Dies trug nicht eben dazu bei, dass er sich wohler in seiner Haut fühlte. Als er sie berührte, fühlte er ein eigentümliches Ziehen in seinem Arm, zusammen mit einer plötzlich aufkommenden Schwäche. Hastig zog er seine Hand zurück und musterte die Dame erschrocken. Dann machte er sich eilends daran, das Boot los zu binden und die Ruder zu ergreifen.
    Die Vollstreckerin nahm auf der kleinen Bank des Kahns Platz und verstaute sorgfältig die Waffe neben sich. Erst dann griff sie in die Tasche ihres Umhanges und entnahm ihr ein Paar spitzenbesetzte, schwarze Handschuhe, welche ihr nach dem Überstreifen bis zu den Ellenbogen reichten.
    Ein kurzer Blick traf den Schiffsjungen, der sich bereit gemacht hatte, sie überzusetzen. Ein knappes Nicken von ihr und schon paddelte er los. Man sah ihm an, dass er froh sein würde, heil und vor allen Dingen schnell, das Schiff zu erreichen. Kerzengerade saß sie auf ihrem Platz, den Umhang um sich geschlungen, während ihre Haare im Wind tanzten. Am Ufer standen still versammelt die verhüllten Gestalten und sahen dem Boot nach, wie es kleiner und kleiner wurde.

Kapitel 1
    Für die Menschen war es nicht immer leicht, auf der Insel Talavan zu leben. Räumlich eingekeilt zu beiden Seiten von 'Überwesen', blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich hübsch fein im Hintergrund zu halten, um möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen. So gingen sie still ihrem Tagewerk nach und waren froh um jeden Sonnenaufgang, welchen sie friedlich erleben durften. Ihre Siedlungen waren inmitten der Insel gelegen - eine Jede um eine kleine Stadt angeordnet, in welcher man die nötigen Besorgungen erledigen konnte.
    Soweit es aus den großen Bibliotheken bekannt war, hatten sie als zweite Rasse ihren Lebensraum auf Talavan erschlossen - einige Jahre nach den lichten Elfen in den Wäldern des
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