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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise
Autoren: Auma Obama
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Vision mitzuerleben. 1969 , sechs Jahre nach der Unabhängigkeit Kenias, wurde er erschossen. Er war achtunddreißig, und die Hintergründe für das Attentat wurden nie ganz aufgeklärt. Aber es wurde spekuliert, dass die Regierung etwas damit zu tun hatte. Auch mein Vater, den Mboyas Ermordung schwer traf, war fest davon überzeugt, dass es sich dabei um eine politisch motivierte Tat handelte.
     
    Mein Vater war zwar keiner der Airlift-Stipendiaten, reiste aber zur gleichen Zeit mit privater amerikanischer Unterstützung in die Vereinigten Staaten. Vor Ort stieß er dann gewissermaßen zur »Airlift-Familie«. So ist aus den Akten dieses Programms zu entnehmen, dass auch er finanzielle Hilfe für den Kauf von Büchern erhielt und dass man ihn einige Male bei der Zahlung der Studiengebühren unterstützte. Die Hauptfinanzierung organisierten jedoch zwei amerikanische Frauen, die meine Großmutter heute kurioserweise nur noch als » Monika and Mary « in Erinnerung hat. Sie meinte aber Elizabeth (Mooney) und Helen (Roberts). Die beiden waren mit der Organisation World Wide Lit nach Kenia gekommen, um den Menschen dort Lesen und Schreiben beizubringen. Mein Vater machte bei diesem Programm als Lehrer mit. Beide Frauen waren beeindruckt von der Intelligenz meines Vaters und wollten ihm helfen, einen Studienplatz in den Vereinigten Staaten zu bekommen. Sie ließen sich Bewerbungsunterlagen mehrerer Universitäten schicken, und Mitglieder von Elizabeths Familie gaben Bücher mit der Post auf, damit er sich auf die Zulassungsprüfungen vorbereiten konnte. Nachdem er diese bestanden hatte, erhielt er von der Universität Honolulu die Zusage für ein Studium der Mathematik und Wirtschaftswissenschaften.
    Laut Aussage meiner Großmutter lernte mein Vater die beiden Amerikanerinnen in einer Zeit kennen, als er bei den East African Railways angestellt war, jener 1948 gegründeten Bahngesellschaft der drei ostafrikanischen Staaten Kenia, Uganda und Tansania. Er und meine Mutter tanzten sehr gern, was Helen und Elizabeth wohl auch taten, denn angeblich holten sie meine Eltern häufig ab, um mit ihnen auszugehen.
    Mein Großvater reagierte zunächst besorgt, als mein Vater nach Alego kam, um der Familie die frohe Botschaft seiner bewilligten USA -Reise zu übermitteln. Ein Studium in den Staaten war nicht gerade billig, und mein Vater, der erst Anfang zwanzig war, hatte bereits eine Frau und einen Sohn zu versorgen. Ein zweites Kind (ich) war unterwegs. Mit dem Verweis auf die Unterstützung durch die beiden amerikanischen Damen gelang es ihm aber, seine Eltern zu beruhigen. Das Einzige, worum er sie bat, war, sich in der Zwischenzeit um seine Frau und seine Kinder zu kümmern.
    Den Kontakt zu seinen beiden Förderinnen hielt mein Vater übrigens auch nach seiner Rückkehr aus Amerika aufrecht.
    Einige der jungen Studenten, die damals in die USA gingen, nahmen ihre Familien mit. Mein Vater aber wollte uns zurücklassen, um rascher das Studium absolvieren und damit früher in die Heimat zurückkommen zu können. Als er dann schließlich wieder in Kenia war, sahen die Dinge jedoch anders aus, als die Familie sie sich vorgestellt hatte.
    Vor seiner Abreise suchte mein Vater mit Frau und Sohn in Begleitung meines Großvaters ein Fotostudio auf. Dort entstand ein gemeinsames Abschiedsbild. Dieses hängt noch heute bei meiner Großmutter im Wohnzimmer an der Wand. Jedes Mal, wenn ich es betrachte, geht mir durch den Kopf, dass, obwohl mich keiner sehen kann, auch ich mit auf dem Bild bin, wohlbehütet im Bauch meiner Mutter.
     
    Nach dem Fortgang meines Vaters zog meine schwangere Mutter mit dem kleinen Abongo zu ihren Schwiegereltern nach Alego, in den kleinen Ort im Siaya District, der in der Nähe des Viktoriasees und nicht weit entfernt von der Grenze zu Uganda liegt. Dort erwartete sie die Geburt ihres zweiten Kindes. Sie war damals siebzehn Jahre alt.
    Bei meinen Großeltern führten meine Mutter und Abongo – und bald darauf auch ich – ein herrliches Leben. Das Familiengut umfasste zahlreiche Felder, Weiden sowie unbebautes Land, und in der Mitte befand sich der Hof mit seinen strohgedeckten Lehmhäusern. Eine hohe Hecke aus dichten Bäumen und Büschen schützte ihn, und seinen Mittelpunkt bildete das Haus meines Großvaters, in dem er mit meiner Großmutter wohnte. Vor diesem lag auf der einen Seite eine kleine Hütte, die als Küche diente, und ein wenig davon entfernt das Gebäude meiner Mutter, das an dem traditionell
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