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Das Leben ist ein Kitschroman

Das Leben ist ein Kitschroman

Titel: Das Leben ist ein Kitschroman
Autoren: Sophie Benning
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angeschaut. Wie man das von mir, der ordentlichen Tochter erwartete. Und zugesagt. Wie man das von mir, der ordentlichen Tochter erwartete.
    Meine Mutter war begeistert gewesen. »Endlich hast du dann mal genug Platz. Und einen Balkon!«, hatte sie gejubelt und mich in die Arme geschlossen. »Was meinst du, wie schön das wird, wenn alles erst mal fertig ist!«
    Dabei brauchte ich überhaupt nicht mehr Platz. Spätestens wenn ich bei Krause in der Mühle war, würde ich die meiste Zeit in der Firma verbringen, abends todmüde nach Hause kommen und direkt ins Bett fallen. Und an den Tagen, an denen ich mich noch aufraffen könnte, würde ich mich irgendwo mit Luise und Marie treffen. Hauptsächlich mit Luise, denn Marie war mehr oder weniger mit der Werbeagentur, in der sie arbeitete, verheiratet.
    Lustlos schaute ich aus dem Fenster in den grauen Himmel.
    Marie. Luise. Heute Abend! Jetzt fiel mir wieder ein, was Luise und ich verabredet hatten. Gutes Essen, leckerer Wein und meine liebsten Freundinnen. Vielleicht würde der heutige Tag doch ein guter werden? Am Ende gar ein Glückstag? Immerhin war Freitag und viele meiner besten Erlebnisse hatten an Freitagen stattgefunden: mein erster Zahn, mein erster Kuss, der erste richtige Sex. Und sowohl meinen Führerschein als auch mein BWL-Diplom hatte ich an einem Freitag bestanden. Wer weiß, vielleicht war heute gar mein ultimativer Glückstag?
    Während ich unter der Dusche stand, machte ich Pläne. Ich würde die letzten Kisten packen und mich anschließend ins IKEA-Ge-wühl stürzen und Vorhänge kaufen. Damit meine Mutter mich endlich mit ihrer Schneiderin in Ruhe ließ und keinen Grund mehr hatte, bei mir aufzutauchen. Zufrieden mit dieser Aussicht wickelte ich mich in ein großes Badetuch, als es klingelte. Uups! Wollte das Glück schon vor acht zu mir herein? Vorsichtig tapste ich mit nassen Füßen den Flur entlang und linste durch den Türspion. Nix Glück. Meine Nachmieterin, eine nervig piepsende Chemiestudentin, deren Kommen ich gestern als Ausrede verwendet hatte, stand schon wieder auf der Matte. Kleine Lügen bestrafte unser Herrgott eben sofort...
    Ich machte die Tür einen Spalt weit auf und starrte meine Besucherin an.
    »Ich wollte nur einen kurzen Blick ins Wohnzimmer werfen und etwas ausmessen«, stotterte Heidi Bauer. »Wirklich ganz kurz, das verspreche ich dir!«
    Ich kannte Heidis kurze Blicke schon. Es war mir ein Rätsel, warum sie sie mehrmals in der Woche »werfen« musste. Hatte sie Angst, ich würde die Wohnung vor meinem Auszug schnell umbauen? Oder war sie nur zu dumm, die Notizzettel mit den Maßen aufzuheben?
    Auch schon egal. Mit einem tiefen Seufzer ließ ich sie herein. »Aber beeil dich, ich habe zu tun.«
    Auch heute war der berühmte Blick alles andere als kurz, und nachdem ich mich angezogen hatte, klappte ich mit ernster Miene meinen Laptop auf, in der Hoffnung, Heidi-Maus würde den Wink verstehen.
    Zwei ungelesene Mails warteten auf mich: eine von Marie, die mitteilte, dass sie heute Abend direkt von der Agentur zum Italiener käme und eine von Daniel Wiedemeier. Während ich sie öffnete, wünschte ich meiner Mutter die Pest an den Hals.
    »Liebe Charlotte«, schrieb Mister Azidose. »Ich habe mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen und fand es außerordentlich schade, dass Sie so früh gehen mussten. Da es noch eine Weile hin ist, bis Sie bei uns anfangen, wollte ich fragen, ob ich Sie in der Zwischenzeit zum Essen einladen dürfte. Ich kenne da ein kleines vegetarisches Restaurant, das Ihnen sicher gefallen wird.«
    Mein Gott, wie reagierte man auf eine solche Mail? Ich hatte nicht die geringste Lust, einen Abend lang mit Daniel Möhren und Gurken zu mümmeln. Aber da er von meiner Mutter auf mich angesetzt worden war, hatte er auch das Recht zu wissen, dass er seine Bemühungen mit sofortiger Wirkung einstellen konnte. Schließlich war er im Prinzip ein netter Kerl.
    »Lieber Daniel«, schrieb ich zurück. »Es tut mir leid, dass Sie von meiner Mutter ermuntert wurden, Kontakt mit mir aufzunehmen. Und auch wenn sie etwas ganz anderes behauptet hat, ich habe im Augenblick so viel um die Ohren, dass ich weder Zeit noch Nerven für so etwas wie eine Beziehung habe. Mit freundlichen Grüßen: Charli.«
    So. Hoffentlich war die Angelegenheit damit erledigt.
    Nachmieterin Heidi rannte nach wie vor durch die Wohnung. »Noch einen winzigen Augenblick«, rief sie mir aus dem Flur zu. Da ich aus Erfahrung wusste, dass es sich bei
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