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Das Laecheln Deines Moerders

Das Laecheln Deines Moerders

Titel: Das Laecheln Deines Moerders
Autoren: Karen Rose
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sich zu ihr herab und flüsterte: »Hast du denn keine Fantasie?«
    Sie kniff die Augen zu und machte sich so klein, wie sie konnte. Ihr ganzer Körper zitterte. Zwei Tränen rannen über ihre Wangen.
    Er nickte wieder und ließ krachend den Kofferraumdeckel zufallen. »Braves Mädchen. Ich wusste es doch.«

Freitag, 30. September, 12.30 Uhr
    S iebenundzwanzig erledigt, blieben noch drei. Und Brad Thatchers Arbeit würde eine der drei letzten sein.
Du bist ein Feigling,
schalt sich Jenna Marshall. Du hast Angst vor einem Blatt Papier. Genauer gesagt fünf Blatt Papier, säuberlich gestapelt, die Kanten an der linken oberen Ecke ausgerichtet. Mal drei Schüler, deren Arbeiten sie noch zu bewerten hatte. Sie starrte auf den purpurnen Ordner, der die noch nicht benoteten Chemietests enthielt.
    Du bist ein Feigling und drückst dich vor dem Unausweichlichen.
Plötzlich seufzte sie. Ihr Blick wanderte über den verschrammten alten Tisch, der mitten im Lehrerzimmer stand, und blieb an einer Mauer windschiefer Ordnerstapel hängen, hinter der sich Casey Ryan verbarg und gerade die Arbeiten ihres Englischkurses korrigierte. Die armen Kinder. Dostojewski stand auf dem Programm, und die Schüler mussten nicht nur
Verbrechen und Strafe
lesen, sondern auch noch einen Aufsatz darüber schreiben. Jenna verdrehte die Augen.
    Jetzt mach dich endlich an die Arbeit, Jen. Hör auf, Ausreden zu suchen, und nimm dir Brads Arbeit vor.
Sie griff nach ihrem Rotstift, starrte einen Augenblick unversöhnlich auf den Hefter, dachte an Brad Thatcher und den Test, den er mehr als wahrscheinlich in den Sand gesetzt hatte, und schaute sich verzweifelt nach etwas um, mit dem sie sich stattdessen beschäftigen konnte. Der einzige andere Anwesende im Lehrerzimmer war Lucas Bondioli, Vertrauenslehrer am Tag, Topgolfer in seinen Träumen. Lucas war mit allen Sinnen darauf konzentriert, in einen umgekippten Plastikbecher zu putten. Und da der Mann immer sehr ungehalten wurde, wenn man ihn dabei störte, wandte Jenna ihre Aufmerksamkeit wieder Casey zu.
    Caseys Hand erschien über den wackeligen Türmen aus Ordnern und grabschte den nächsten Aufsatz. Der Stapel begann, gefährlich zu schwanken, und Jennas Hände schossen instinktiv vor und packten ein paar Arbeiten, um den Turm zu stabilisieren und ein größeres Unglück zu verhindern.
    »Hände weg«, knurrte Casey, ohne von ihrer Korrektur aufzuschauen.
    »Verdammt!«, stieß Lucas hervor.
    »Leg sie einfach zurück, und es wird nichts geschehen«, fuhr Casey fort, als hätte Lucas nichts gesagt.
    Jenna schaute auf und sah gerade noch, wie Lucas’ Putt weit danebenging, zog den Kopf ein, legte die Ordner zurück und setzte sich wieder. »Tut mir Leid, Lucas.«
    »Schon okay«, gab er düster zurück. »Wäre sowieso nichts geworden.«
    »Und ich?« Casey blickte über ihre Mauer aus Heftern.
    »Dir hab ich doch nichts getan. Ich wollte bloß verhindern, dass hier alles zusammenbricht.« Sie deutete mit einer fahrigen Handbewegung auf die Stapel. »Du bist eine durch und durch chaotische Person.«
    »Und
du
bist unentschlossen und zögerlich«, sagte Lucas freundlich und setzte sich neben Jenna.
    Casey griff nach der nächsten Arbeit. »Was gibt es denn zu zögern, Jen? Das sieht dir gar nicht ähnlich.«
    Lucas ließ sich auf seinem Stuhl abwärts rutschen. »Sie will Brad Thatchers Chemietest nicht korrigieren, weil sie genau weiß, dass er durchgefallen ist und weil sie eigentlich seinen Vater anrufen müsste, da Brad sich in letzter Zeit völlig anders verhält als üblich, aber leider traut sie sich nicht so recht, schon wieder Eltern anzurufen, weil sie am Mittwoch von Rudy Lutz’ Vater übel beschimpft wurde, da sie« – er holte tief Luft – »seinen Sohn im Förderkurs Chemie durchfallen lassen und dafür gesorgt hat, dass er vorübergehend aus dem Football-Team ausgeschlossen wird.« Er atmete aus.
    Jenna sah ihn halb verärgert, halb bewundernd an. »Wie machst du das?«
    Lucas grinste. »Ich habe eine Frau und vier Töchter. Wenn ich nicht schnell rede, komme ich nie zu Wort.«
    Caseys Stuhl schrammte über den gefliesten Boden, sie stand auf, und ihr blonder Kopf spähte über die Mauer aus Arbeiten. Auf Zehenspitzen nur knapp über eins fünfzig groß, sah man sie nur vom Kinn aufwärts. »Brad Thatcher hat den Chemietest versiebt?« Ihr Gesicht legte sich in Falten, sodass sie aussah wie eine verdatterte, körperlose Elfe. »Reden wir hier über
den
Brad Thatcher, das
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