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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
Autoren: Gisbert Haefs
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entfernt. Es wäre übertrieben, von einem Platz zu sprechen; es war eher eine Ausbeulung der Uferstraße.
    Am verzierten Pfeiler des Brückengeländers lehnte Antonio. Er trug enge ockerfarbene Seidenstrümpfe, ein mit Goldstreifen besetztes Wams, eine ausladende schwarzrote Faltenhose, die unten mit grünen Bändern um die Oberschenkel endete. Der Hals steckte in einem Faltenkragen, ebenso weiß wie die bauchigen Ärmel des Seidenhemds, und auf den schwarzen Locken ritt etwas, das einer umgekehrten Gondel glich, aus deren Enden Flamingofedern ragten. Neben ihm stand ein Diener des Hauses mit einem Korb voller Masken.
    »Armer Kleiner«, sagte Laura; sie küßte ihn auf die Wange. »Würgt dich der Kragen sehr?«
    »Schönste der Frauen!« Antonio grinste sie an, dann mich. »Wenn dein Gemahl nicht dräuend neben dir stünde, schlüge ich vor, daß wir in eines der Gemächer schleichen, wo du mir den Kragen und den Rest entfernst und ich dich deines prächtigen Gewirks aus Seide und Leinen entledige. Da es dich aber trefflich kleidet und Jakko wohl Einwände erhöbe – ach, so will ich zagen und entsagen. Habt ihr Masken?«
    »Haben wir«, sagte ich. »Bist du der Wächter der Verhüllung?«
    »Da ich weiß, wer geladen ist und von denen zu unterscheiden wäre, die zufällig hier entlangwandern ...«
    »Willst du den ganzen Abend draußen verbringen?«
    »Wenn die Sonne untergegangen ist, werde ich drinnen aufgehen. Sagt, ihr geliebten Freunde – wann werden wir wieder trinken und über das reden, was wir zwei, o Holdeste, tun könnten, wenn du nicht diesen deutschen Barbaren vorgezogen hättest?«
    Antonio war von seinem Vater vor Jahren mit der Auswahl und Gestaltung des Papiers betraut worden. So hatten wir ihn kennengelernt; seither behauptete er, unsterblich in Laura verliebt zu sein und aus schierer Verzweiflung zu den Kurtisanen zu flüchten.
    Alle bisherigen Verhandlungen mit den Dandolos hatten wir in der Druckerei oder in einer der besseren Tavernen geführt. Für Laura und mich war dies der erste Zutritt zu ihrem Palazzo. Die Venezianer sind ja stolz darauf, eine Republik zu sein und keinerlei Aristokratie zu besitzen; tatsächlich ist dies eine fromme Lüge. Ob eine Sippe über Jahrhunderte dank angeblich besonderen Bluts Macht und Einfluß besitzt oder dank des von Vorfahren erworbenen und von den Nachkömmlingen gehegten Reichtums – es bleibt die Herrschaft jener, die sich für »die Besten« halten. Und die Besten lassen Minderwertige gewöhnlich nicht in ihren Palast, den sie schlicht casa nennen.
    Das Gespräch wurde mehrmals unterbrochen, wenn festlich gekleidete Personen ohne Masken erschienen. Antonio schien sie wirklich alle zu kennen und hatte für jeden einen Gruß, einen Scherz, eine Erinnerung. Und eine Maske.
    Selbst, wenn der Betreffende keine zu benötigen meinte, wie der ältere Mann in einer Soutane mit feinen Goldstreifen. Er nickte Antonio lächelnd zu und schien zur Tür gehen zu wollen.
    »Bon soir, mon père«, sagte Antonio. »Ihr werdet doch nicht Venedigs holdesten Kurtisanen den Anblick Eures unverhüllten Antlitzes gewähren wollen?«
    Der Priester fuhr mit der Hand seitlich über sein Gewand. »Was könnte denn eine Maske verbergen, was dieses Kleid nicht ohnehin offenbart, mein Lieber?«
    Nur ein Hauch von Französisch war zu ahnen. Er hatte eine sanfte, volle Stimme, und eher die Stimme als das Gesicht erinnerte mich an etwas. Wollte mich an etwas erinnern, besser gesagt, aber die Erinnerung blieb verborgen. Ich war sicher, daß ich ihn schon einmal gesehen und gehört hatte, vor Jahren.
    »Ihr werdet überrascht sein«, sagte Antonio, »wie viele vermeintliche Priester und Ordensleute sich im Haus aufhalten.«
    »Nun denn – gebt mir eine Maske. Wenn es dem Himmel so gefällt, wie könnte es mir dann mißfallen?«
    Der Diener hielt ihm den Korb hin; der Priester griff hinein, ohne hinzusehen, setzte die Maske auf, zupfte das Band, das sie hielt, hinter den Ohren zurecht und ging in den Palazzo.
    »Kurtisanen und Priester?« sagte Laura. »Welch heitere Mischung. Damit hätte ich nicht gerechnet.«
    »Ach, Schönste, du solltest dich öfter überraschen lassen. Zum Beispiel von mir.« Antonio zwinkerte übertrieben.
    »Er kommt mir bekannt vor«, sagte ich.
    »Pater Corgoloin?« Antonio schob die Unterlippe vor und legte den Kopf schief. »Er ist schon einige Male in Venedig gewesen. Bei der Gesandtschaft.«
    »Der französischen?«
    »Ah nein, er ist aus Burgund –
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