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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
Autoren: Gisbert Haefs
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suche?«
    »Heute ist kein guter Tag, um über das Sterben und den Weg dorthin zu reden.«
    »Wann denn?«
    »Wenn schon, dann lieber gar nicht.«

ZWEI
Venezianische Masken
    J ahrelang hatte Laura sowohl die Druckerei in Venedig als auch die Papiermühle außerhalb von Mestre von den alten, erfahrenen Meistern leiten lassen. So hatte man den Gesetzen genügt, welche die Geschäftstätigkeit von Frauen einschränken; und auch die betreffenden Zünfte, die keine Frauen aufnehmen, konnten keine Einwände erheben.
    Natürlich hatte Laura die beiden Meister gelenkt, die die Geschäfte leiteten. Mein Anteil an ihnen war gering, gewissermaßen läaßlich. Ich hatte einige Einfälle beigetragen, zum Beispiel jenen, den Reichen und Mächtigen besonderes Papier anzubieten, mit ihren jeweiligen Wappen oder Emblemen als Wasserzeichen, in der ihnen gemäßen Schrift bedruckt mit Name, Wohnsitz und allem, was ihr Herz, ihre Eitelkeit oder ihre Gier zusätzlich begehren mochten. Und natürlich las ich hin und wieder etwas, von dem ich fand, es sollte gedruckt und verbreitet werden, oder ich zechte mit einem Dichter, der daraufhin beschloß, sein nächstes Werk – Verse, eine Komödie, ein paar Pamphlete – der ebenso ruhmreichen wie trinkfesten Druckerei Rinaldi zu übergeben.
    Gelegentlich tat ich Handlangerdienste, war aber nach den Jahren des Reisens und Kämpfens durchaus fröhlich, in einiger Muße neue Künste zu erlernen: seßhaftes Eheleben, Kochen und Erziehung der Kinder. Natürlich befiel mich zuweilen etwas, das Rastlosigkeit sein mochte, Fernweh, Reiselust oder einfach Überdruß ob des Alltäglichen. Bei derlei Anfällen griff ich zur Fiedel, zum Wein, zu neuen Büchern, oder ich suchte Gegner für heftige Fechtübungen. Manchmal fragte ich mich, ob ich dieses Leben noch lange ertrüge, wenn nicht die Zwillinge – Laura und Giacomo – meiner (oder eines anderen) bedurft und mich durch ihre Liebe, ihre Neugier, ihren Witz und Einfallsreichtum im Übermaß belohnt hätten.
    Durch einen seltsamen Zufall hatten die beiden alten Meister den gleichen Namen getragen, Giovanni; beide waren an die achtzig geworden und in diesem erstaunlichen Alter kurz nacheinander gestorben. Laura sorgte dafür, daß die bisherigen Vorarbeiter der beiden Werkstätten von der jeweiligen Zunft zu Meistern gemacht wurden, und ließ sie die Betriebe fortführen, mit denen sie bestens vertraut waren. Die einzige wirkliche Neuheit daran war, daß gewisse Einleitungen zu Gesprächen nicht mehr stattfanden (»Heute hat Giovanni gesagt ...« – »Welchen meinst du?«). Der neue Meister der Druckerei hieß Angelo, und die Papiermühle unterstand Ezio.
    An einem späten Vormittag hatten wir die täglichen Lese-, Schreib- und Rechenübungen beendet, und Giacomo fragte, warum eine Katze Katze heiße und ein Tisch Tisch, und Laura – Laurina – dehnte diese Frage auf die Namen von Personen aus. »Ezio – warum heißt er so? Und gibt es noch andere, die auch so heißen?«
    Ich sagte, dies sei die italienische Form des lateinischen Namens Aetius, und das sei ein berühmter Feldherr gewesen, der gegen die Hunnen gekämpft habe. Daraufhin wollte Laurina wissen, ob der Ezio aus der Papiermühle mit dem Feldherrn verwandt sei, wie sie und ihr Bruder mit Laura und mir, und ob es nicht eigentlich besser wäre, wenn alle Kinder so hießen wie ihre Eltern. Giacomo fragte sie, was denn Eltern mit sieben Söhnen und sieben Töchtern machen sollten.
    Danach erkundigten sich beide, was es mit den Hunnen auf sich habe, ob Ezio auch gegen sie kämpfen müsse, und ob ich schon einmal gegen Hunnen oder sonst jemanden gekämpft hätte, und an dieser Stelle kam Laura zu uns.
    Sie hatte die Nacht in Venedig verbracht, in der Druckerei, um die Geschäfte voranzubringen; eigentlich wollte sie bis zum nächsten Tag dort bleiben. Die Kinder stürzten sich auf sie, und es dauerte einige Zeit, bis sie auf meine Seite des Tischs gelangte und mir einen Kuß auf die Stirn gab.
    »Hoffentlich nicht unangenehm überrascht?« sagte sie.
    »Wir hatten dich erst morgen erwartet. Was hat dich so schnell aus der Lagune vertrieben?«
    »Später«, sagte sie. Während sie sich mit den Kindern unterhielt, bereitete ich ein kleines Mittagsmahl. Danach verschwanden Giacomo und Laurina zum Spielen; Laura und ich begaben uns auf die überdachte Terrasse. Der Winter war mild. Bei warmem verdünnten Würzwein ließ es sich dort gut aushalten.
    »Wir haben eine üppige Einladung erhalten«,
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