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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
Autoren: Gisbert Haefs
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sagte sie.
    »Üppig? Wer gönnt uns so etwas?«
    Sie hob den Becher. »Außer uns selbst, meinst du.«
    »Die Üppigkeit deines Anblicks läßt mich an ein anderes Gemach als diese windige Terrasse denken.«
    »Dann sollte ich schneller sprechen.«
    »Oder später. Oder dabei. Magst du?«
    »Immer.«
    Wir nahmen die Becher mit. Dabei und ein wenig später und zwischendurch berichtete sie von der Einladung zu einem Ball. Sie war morgens in Venedig zugestellt worden, durch einen livrierten Boten. Das Papier, mit Wasserzeichen und Aufdruck, stammte aus unserer Druckerei. Einer unserer vornehmen Kunden ließ sich dazu herab, uns außerhalb des Karnevals (oder neben diesem) zu einem Fest in seinem Palazzo zu laden. Einem Fest mit Musik, Tanz, Speisen, einer kurzen Komödie – und Masken.
    »Bis wann müssen wir annehmen oder absagen?«
    Laura stützte sich auf den linken Ellenbogen und verhängte mein Gesicht mit ihrem Honighaar. »Ich habe schon zugesagt. Es ist nächste Woche; da wollten wir ohnehin die Kinder zu Gianna bringen und ein paar Tage in der Stadt bleiben.«
    »Was immer du tust, ist wohlgetan, Liebste.«
    »Das auch?«
    »Sowieso. Uh. Tiefer.«
    Gewöhnlich blieben die Vornehmen unter sich. Die Einladung an uns ließ jedoch darauf schließen, daß auf diesem Ball eine der zuweilen erwünschten »Vermengungen« der Stände stattfinden sollte: Vornehme, Künstler, erlesene Handwerker, wahrscheinlich ein paar Gesandte, sicherlich Venedigs teuerste Kurtisanen.

    An diesem Abend peitschte ein weiterer Herbststurm das Wasser. Im kleinen Hafen von Orebić tanzten die Schiffe. Jenseits der Meerenge war nichts zu sehen außer tiefen Wolkenfetzen und Gischtspritzern. Nicht einmal das venezianische Wachboot, das sonst immer nach Türken oder Seeräubern Ausschau hielt, hatte den Hafen von Curzola verlassen.
    »Bei diesem Wetter geht kein Hummer vor die Reusentür«, knurrte Goran. Er rührte in dem Gebräu aus Wein, heißem Wasser, Honig und Gewürzkräutern, das er uns bereitet hatte. »Mein Holzbein schmerzt. Das Leben ist widerlich. Und bei so einem Wetter soll ich das hier lesen?« Er ließ das letzte Blatt sinken.
    »Was stört dich daran?« sagte ich. »Ich finde, es ist gute Lesekost für schlechtes Wetter.«
    »Willst du jetzt allen Ernstes einen Ball beschreiben? Mit Masken und Tänzen und allem?«
    »Und den vergoldeten Brustwarzen der Kurtisanen, den weiten Hosen der jungen Adligen, dem Glanz in den Augen meiner Liebsten.«
    »Vergoldete Brustwarzen?« Er klackte mit der Zunge. »Ich bin zu alt für so was.«
    Ich nickte. »Es stünde dir auch nicht.«
    »Wirklich vergoldet?« Er blinzelte.
    »Scheint dich zu fesseln, wie? Ja, vergoldet oder mit Silber überzogen. Auf dem Höhepunkt des Festes hat eine von ihnen in der Mitte des Saals eine Banane gegessen, als wäre es etwas anderes. Oder sie ein Schwertschlucker. Die Männer waren begeistert, einige der älteren Frauen entgeistert. Oder jedenfalls haben sie so getan als ob.«
    »Schwertschlucker, wie?« Goran schmatzte. »Wie findest du so etwas?«
    »Na ja, anregend.«
    »Hm. Und was hat deine Laura gesagt?«
    »Ich weiß es nicht; sie war woanders im Saal.«
    »Hätte sie es auch anregend gefunden? Lehrreich?«
    »Anregend vielleicht.«
    »Nicht lehrreich? Nichts, was sie hätte lernen müssen?«
    »Was stört dich denn an der Beschreibung eines venezianischen Maskenballs?«
    Goran räusperte sich. »Masken.«
    »Warum?«
    »Ich glaube, die Venezianer tragen immer Masken. Vielleicht ist das, was sie bei solchen Bällen aufsetzen, ihr wahres Gesicht.«
    Ich lachte leise. »Kann sein; man sollte es erwägen.«
    »Außerdem gehört es nicht in deine Geschichte. Nutzloses Beiwerk. Schmückend? Kann sein, aber nutzloser Schmuck ist ... müßig.«
    »Du erstaunst mich, Goran. Jetzt klingst du wie ein Lehrer der Schreib- und Redekunst. Nicht wie ein alter Schiffbauer und Fischer.«
    »Wenn ich ein Schiff mit nutzlosem Schmuck behänge – was dann? Was wird es tun? Untergehen wird es. Bei Geschichten ist das genauso.«
    Ich trank einen Schluck von dem Gebräu; inzwischen war es nicht mehr so heiß, daß es mir die Zunge verbrüht hätte. »Mag sein«, sagte ich dann. »Aber der Ball wäre nicht völlig nutzloser Schmuck. Auf diesem Ball habe ich ein paar Leute gesehen, die später noch eine wichtige Rolle spielen. Es wäre also eine gute Möglichkeit, sie unauffällig einzuführen.«
    »Unsinn.«
    »Inwiefern?«
    »Wenn du sie einführst, ist das nicht
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