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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
Autoren: Gisbert Haefs
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Rundgang losgezogen; ich hatte das Schreiben nur zu gern unterbrochen und ihn begleitet. Man müsse doch wissen, was die anderen so trieben; vor allem der aufmüpfige Nachwuchs, der die Werkstatt – die kleine Werft – verkommen lasse.
    Also machten wir einen Gang durch den Ort, plauderten mit Nachbarn, sahen Gorans Söhnen zu, wie sie das nächste Boot bauten; wir warfen Steine in die Bucht und stellten fest, daß das venezianische Küstenboot aus Curzola ausgelaufen war und Türken, Schmuggler oder Geister suchte. Danach tranken wir mit einem alten Fischer sauren Wein, und auf dem Heimweg sonderte Goran nun diesen Satz ab. Am Vorabend hatte er vom Maskenball im Hause der Dandolos gelesen; jetzt, siebzehn oder achtzehn Stunden später, kam die Frage für mich wie aus dem inzwischen wieder heiteren Himmel.
    »Sie haben ihn laufenlassen.«
    »Also, sie haben uns ja zweihundert Jahre lang beherrscht, deshalb wissen wir, welche Sorte von schwarzen Schweinen sie sind. Aber so einen einfach laufenlassen, das hätten sie früher nicht getan. Kein Wunder, daß sie nicht mehr das Meer beherrschen.«
    »Das ist nicht die Frage.«
    Er kicherte. »Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.«
    »Karim Abbas war gewissermaßen als Gesandter in Venedig«, sagte ich. »Gesandte sind, wie du weißt, unantastbar.«
    »Und der Franzose? War der auch Gesandter?«
    »Gewissermaßen.«
    »Gewissermaßen, gewissermaßen!« Goran schnitt eine Fratze. »Was soll das heißen? Gesandte oder nicht?«
    »Gewissermaßen.« Ich lachte. »Beide waren im Auftrag ihrer Herrscher in Venedig; ich weiß nicht, wie die Aufträge lauteten, und außer ihnen waren noch die gewöhnlichen Gesandten da, allerdings nicht auf dem Fest.«
    Goran knurrte etwas. Dann räusperte er sich und sagte: »Also, der eine bringt den anderen um, und weil beide geheime Gesandte sind, unternimmt Venedig nichts?«
    »So ähnlich. Keine Ahnung, was geschehen wäre, wenn Karim einen Venezianer umgebracht hätte. Aber so?«
    »Was ist eigentlich dieser Bellini?«
    »Hör zu, mein Lieber. Diese Teile – was du gelesen hast und was ich dir jetzt erzähle – wirst du bitte hinterher schnell vergessen.«
    »Ich weiß jetzt schon nicht mehr, worüber wir gerade reden.«
    »Gut so. Bellini hat die Büttel und Nachtwächter unter sich. Ich nehme an, jemand aus dem Hohen Rat kümmert sich um Venedigs Spione. Spione sorgen für Unordnung in der Ferne, Bellini sorgt für Ordnung daheim. Wahrscheinlich kümmert er sich nur dann um Spione, wenn er aus dem Rat den Befehl dazu erhält.«
    »Du, als Ausländer, hast du dich eigentlich in Venedig frei bewegen können?«
    »Warum denn nicht?«
    »Ich habe gehört, Ausländer, zum Beispiel Kaufleute, dürfen nur in bestimmten Häusern wohnen, und Venezianer, die mit ihnen Geschäfte machen, stehen unter scharfer Aufsicht.«
    »Ja und nein. Es gibt Ausländer und andere Ausländer. Fremde Fremde und hiesige Fremde.«
    »Sehr erhellend. Was bist du?«
    »In Venedig? Anderer Ausländer. Das hat etwas mit Handel und Zoll und Steuern zu tun. Ein deutscher Kaufmann, der etwas kaufen oder verkaufen will, tut das gewöhnlich für ein deutsches Handelshaus. Dann unterliegt alles, was er tut, den venezianischen Handelsvorschriften. Um diesen Kaufmann besser beaufsichtigen zu können, besteht Venedig darauf, daß er nur in einem der deutschen Häuser wohnt. Den meisten ist das auch ganz lieb, weil sie da in Gesellschaft ihrer Landsleute sind, die eigene Sprache benutzen können, Nachrichten und Hinweise erhalten und so weiter. Ich bin ja damals, vor Jahren, allein nach Venedig gekommen ... na ja, nicht allein, sondern mit anderen, aber nicht, um für ein deutsches Handelshaus zu arbeiten.«
    Inzwischen hatten wir sein Haus wieder erreicht. Mit dem Holzbein stieß er die Tür auf; dabei sagte er: »Dieses Gerenne und Gerede macht mich mürbe. Ich habe Hunger. Und vor allem habe ich Durst.«
    »Das verblüfft mich. Du trinkst doch sonst nie.«
    »Sehr witzig.«
    Mit Brot und verdünntem Würzwein setzten wir uns an den großen Tisch. Durchs Fenster schaute ich auf das Meer und fragte mich, wie ich den Anblick beschreiben sollte, wenn ich ihn denn beschreiben wollte. Gestern hatte das Meer gezürnt; nun schien es sich zu tummeln, bald würde es wohl schmachten und schließlich nur noch herumliegen.
    Beim Essen begann das Gespräch zu streunen. Goran erzählte von all den Schiffen, die er gebaut und gesegelt und meistens in Dubrovnik verkauft hatte.
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