Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
bei der kaiserlichen.«
    Als Laura und ich schließlich in den Palazzo gehen wollten, um uns irgendwo zu setzen, etwas zu trinken und die schweifenden Eitelkeiten zu betrachten, hielt Antonio mich am Arm fest.
    »Laura«, sagte er, »ist wie immer unvergleichlich. Dieser Traum aus Leinen und Seide gleicht einer Kruste, vom allerbesten Bäcker zu schleunigem Verzehr bereitet. Und ich schlüge gern meine Zähne hinein.« Er seufzte theatralisch, und Laura kicherte. »Aber du, mein Freund – konntest du dich nicht mit etwas umgeben, was weniger türkisch ist?« Er lehnte den Oberkörper zurück; und wie ein Schneider flatternde Fetzen betrachten mag, musterte er mein rotes Wams, das weiße Hemd, die weite Hose und die flachen Stiefel aus weichem Leder, die ich den bei reichen Venezianern üblichen hochhackigen Schuhen vorzog.
    »Wenn ich schon eine unbequeme Maske tragen muß, will ich es ansonsten behaglich haben.«
    Das ärmliche Haus der Dandolos hätte auch eine Kleinstadt sein können oder ein Labyrinth. Anfangs versuchte ich, die Lage der Räume, Treppen und Geschosse zu erfassen, indem ich sie durchwanderte; ich gab jedoch bald auf. Alle Wände schienen gerade zu sein, trotzdem waren alle Räume unregelmäßig geformt. Einen viereckigen Saal fand ich nicht; die meisten waren drei- oder fünfeckig, und als ich Zugang zu einem elfeckigen Gemach gefunden hatte, stellte ich das Zählen ein.
    Ich schätzte, daß etwa drei Zehntel von Venedigs Reichtum versammelt waren. Die Vielfalt der Speisen entsprach der Vorzüglichkeit der Gäste. Einige der Frauen mit entblößten Brüsten schienen mir keine Kurtisanen zu sein, vielmehr Gattinnen oder Töchter, die etwas zur Schau stellen wollten, wenn sie denn schon ihr Antlitz zu verbergen hatten. Einige ältere Männer – graues Haar lugte unter den Masken und Kopfbedeckungen hervor – hielten sich immer in ihrer Nähe auf, und ihre Gebärden verrieten eher Unruhe denn Begeisterung. Manche der jüngeren Männer trugen altmodische Beinkleider samt Schamkapsel; viele dieser Kapseln waren aus kostbaren Stoffen gefertigt, mit einer gewissen Wucht verziert und insgesamt Hochstapelei.
    Ich streunte durch die Säle, um die einmalige Gelegenheit zu nutzen und den kargen Hausstand der reichen Familie zu betrachten. Ich sah goldene Kerzenhalter und solche aus Kristall, mit Kristalltrauben behängt, die das Licht vermehrten. Ich stand vor alten, unbezahlbaren Wandbehängen, die vermutlich Ahnherren und einige Ahnfrauen zeigten, bei der Jagd, bei Bällen, im Gespräch mit anderen Personen, die prunkvolle Gewänder vergangener Tage trugen. Ich versank in dicken Teppichen, betrachtete Gemälde unbekannter Meister, bestaunte kostbare Truhen aus Hölzern, die aus fernen Ländern stammten und deren Namen ich nicht kannte. Ich stellte alberne Mutmaßungen an, was die Truhen und die zahllosen, ebenfalls teuren Schränke enthalten mochten und wie lange die Tische, die sich unter Silberplatten voll erlesener Speisen bogen, ihre Last noch tragen würden.
    In mehreren Räumen gab es Musiker. Eine Gruppe in gewöhnlicher Kleidung spielte ausgelassene Volkstänze, eine andere – deren Mitglieder ob der steifen Vornehmheit ihrer Gebärden und Gewänder schwitzten – erging sich in etwas, was ihnen als feierliche Musik erscheinen mochte, mir jedoch eine entbehrliche Form hochtrabender Langeweile war.
    Bemerkenswerter als die Musik war die Vielfalt der Masken. Laura und ich trugen gewöhnliche Stoffteile, die den Mund freiließen. Andere trugen wahre Gebäude, und viele (wahrscheinlich in der Absicht, sich entsprechend zu benehmen) traten als Tiere auf. Es gab erstaunlich viele Füchse, etliche Wildschweine, Pferde, Löwen, Wölfe, sogar einige Fische. Eine Kurtisane mit glänzend geschminkten Brüsten hatte ihr Haar mit Federn zu einer Art Pfauenrad verflochten und auch das Gesicht mit Pfauenaugen bedeckt.
    Da und dort plauderte ich mit Unbekannten, unter deren Masken ich Bekannte vermutete, erkannte aber keine Stimme. Immer wieder zogen Diener durchs Gedränge und versprühten Duftwässer, die sich mit den Gerüchen der Speisen und den Aromen der Gäste vermischten.
    Laura verlor ich irgendwann aus den Augen, als sie sich einem nicht ganz so feierlichen Tanz anschloß. Ich hatte ein wenig gebratene Gänsebrust geknabbert, lehnte an einer Säule, betrachtete das Quirlen und nippte an meinem Glas. Es war ein teures Glas, zweifellos von einem der Künstler aus Murano geblasen, und es enthielt einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher