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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel
Autoren: Ian Banks
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welcher Pflanze er ihn genommen hatte, und heftete den Zettel an den Zweig. »Verzeihen Sie…« Er bewegte den Rollstuhl ein Stückchen weiter, und die Frau gab ihm den Weg frei, damit er einen weiteren Trieb abschneiden konnte.
    Sie trat vor ihm wieder auf die andere Seite. »Nach der Geschichte, die ich gehört habe, haben Sie einen Ihrer Kameraden herausgezogen, der…«
    »Ja«, unterbrach er sie. »Ja, so lautet die Geschichte. Natürlich wusste ich damals nicht, dass der Preis der Nächstenliebe in der Entwicklung außerordentlich starker Armmuskeln besteht.«
    »Haben Sie schon Ihre Medaille bekommen?« Sie kauerte sich auf die Hacken und legte die Hand auf ein Rad seines Rollstuhls. Er sah die Hand an und dann ihr Gesicht, aber sie grinste nur.
    Er öffnete die Steppjacke und zeigte die Uniformjacke darunter mit all ihren Bändern. »Ja, ich habe meine Medaille bekommen.« Er achtete nicht auf ihre Hand und trieb den Rollstuhl wieder ein Stück weiter.
    Die Frau erhob sich kurz und kauerte sich dann wieder neben ihm nieder. »Eine eindrucksvolle Sammlung für einen so jungen Mann. Es überrascht mich, dass Sie nicht schneller befördert wurden; ist es wahr, dass Sie nicht die richtige Einstellung gegenüber Ihren Vorgesetzten an den Tag gelegt haben? Ist das der Grund…«
    Er warf die Schere in den Korb und drehte den Rollstuhl mit Schwung herum, um ihr ins Gesicht zu sehen. »Jawohl, meine Dame«, sagte er und lächelte höhnisch. »Ich habe die falschen Dinge gesagt, meine Familie hatte nie gute Beziehungen, nicht einmal, als sie noch lebte, und jetzt ist auch das nicht mehr der Fall, dank der Imperiums-Luftwaffe, und diese…« – er umklammerte die Brust der Uniformjacke, hielt die Ordensbänder hoch und schwenkte sie hin und her – »die hier würde ich gern eintauschen, allesamt, dafür, dass ich ein Paar Schuhe tragen könnte. Und jetzt…« – er beugte sich zu ihr vor und nahm die Schere wieder zur Hand – »habe ich zu tun. Drunten in der Anstalt gibt es einen Burschen, der auf eine Mine getreten ist; von seinen Beinen ist überhaupt nichts mehr übrig, und er hat einen Arm verloren. Vielleicht macht es Ihnen noch mehr Spaß, für ihn die Gönnerin zu spielen. Entschuldigen Sie mich.«
    Er drehte den Rollstuhl mit Schwung herum, bewegte ihn ein paar Meter weiter, schnitt einige Ableger ab und riss zwei Pflanzen so ziemlich aufs Geratewohl heraus. Als er die Frau auf dem Weg hinter sich hörte, legte er die Hände auf die Räder und wollte sich davonmachen.
    Sie hinderte ihn daran. Ihre Hand hielt den Rollstuhl hinten fest, und sie war stärker, als sie aussah. Seine Arme strengten sich mit aller Kraft an, die Räder zu bewegen; die Gummireifen rutschten surrend über den Steinweg und drehten durch, ohne dass sich der Rollstuhl von der Stelle bewegte. Er entspannte sich und sah zum Himmel hinauf. Sie kam wieder um den Rollstuhl herum nach vorn und kauerte sich erneut nieder.
    Er seufzte. »Was genau wollen Sie denn eigentlich, meine Dame?«
    »Sie, Mr. Escoerea.« Die Frau setzte ihr schönstes Lächeln auf und nickte zu den Beinstümpfen hin. »Übrigens, Ihr Tauschvorschlag bezüglich der Medaillen gegen die Sache mit den Schuhen ist durchaus angemessen.« Sie hob die Schultern. »Nur, dass Sie die Medaillen behalten können.« Sie griff in den Korb, nahm die Gartenschere heraus und steckte sie in die Erde unter den Pflanzen, dann legte sie die Hände gefaltet auf seine Beinstümpfe. »Nun, Mr. Escoerea«, sagte Sma zitternd. »Wie würde Ihnen ein ordentlicher Job gefallen?«
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