Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon
Autoren: Günter Wierichs
Vom Netzwerk:
einer Volkswirtschaft wird dieses ehrenvolle Amt durch Banken übernommen. Aber auch hier wird ja in der Folge ein konkretes Gut gekauft – die trächtige Sau. (Tiere sind übrigens rechtlich gesehen keine Sachen, da für sie besondere Vorschriften, zum Beispiel Tierschutzgesetze, gelten. Im Rechtsverkehr werden sie grundsätzlich jedoch den Sachen gleichgestellt, daher kann man an dieser Stelle die arme Sau als »Gut« bezeichnen.)
    In der Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes wird der einfache Konsumkreislauf, der sich in unserem Beispiel aus dem Handeln der Wirtschaftssubjekte Getränkelieferant, Bauer, Metzger und Wirt ergibt, durch die Elemente Sparen und Investieren ergänzt. Gelder, die momentan nicht für Konsumzwecke benötigt werden, können an investitionswillige Personen oder Unternehmen weitergereicht werden. Diese Gelder tauchen als Finanzvermögen in den Bilanzen der Kreditinstitute auf, die beim Spar-Investitions-Vorgang eine Vermittlerrolle einnehmen. Werden nun, wie in unserem Beispiel, Finanzvermögen realwirtschaftlich verwendet (Kauf der trächtigen Sau), müssten sie sich eigentlich weitgehend gleichförmig zu ihrem realwirtschaftlichem Gegenpol, dem Bruttoinlandsprodukt (→ BIP ) entwickeln. Dies ist jedoch bei weitem nicht der Fall, wie die folgende Übersicht zeigt (Entwicklung von Bruttoinlandsprodukt und Bankenaktiva in Deutschland seit 1970):

    Man kann gegen eine solche Darstellung mit einer gewissen Berechtigung einwenden, dass hier quasi Äpfel mit Birnen verglichen werden. Denn beim Bruttoinlandsprodukt handelt es sich um eine Stromgröße, die jedes Jahr neu entsteht. Das Finanzvermögen hingegen ist eine Bestandsgröße; es gibt einen jährlichen Ausgangswert, und dieser steigt durch Zinsgutschriften, Dividendenzahlungen und Spekulationsgewinne regelmäßig an. Im Folgejahr geht es auf dem erhöhten Niveau wieder los. Dennoch macht ein Vergleich der Entwicklung von Bruttoinlandsprodukt und Finanzvermögen Sinn, wenn man auf die Wachstumsraten beider Größen abstellt. Aus der obigen Darstellung wird deutlich, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt von 1970 bis 2010 nominal, das heißt zu jeweils aktuellen Preisen bewertet, um mehr als das Sechsfache anstieg. Eine ganz schlappe Entwicklung, wenn man die Finanzvermögen (hier ausgedrückt in Form der → Bankenaktiva ) betrachtet – diese vermehrten sich um den Faktor 23. Und hier wird die Fehlsteuerung deutlich: Die Vertreter der Finanzbranche reden uns nämlich ein, dass man über Geldanlagen an der realwirtschaftlichen Wachstumsentwicklung partizipiert. Man spricht gerne von »Blue Chips«, von »vielversprechenden Märkten« oder auch »attraktiven Zukunftstechnologien«. Auch davon, dass Spargelder für realwirtschaftlich orientierte Investitionen zur Verfügung stehen. Und so weiter. Das enorme Wachstum der Vermögen im Verhältnis zu den eher bescheidenen realwirtschaftlichen Wachstumsraten zeigt jedoch, dass sich Kapitalanlagen zum überwiegenden Teil im virtuell-spekulativen Raum vermehren.
    Und hier liegt die Tragik des Bankensektors begründet. Denn je besser diese virtuell-spekulative Kapitalvermehrung gelingt, desto größer wird der Anstieg der Finanzvermögen. Damit steigt jedoch – Jahr für Jahr – der Druck auf die Finanzbranche, angemessen hohe Renditen für das wieder einmal kräftig gewachsene Anlagegeld generieren zu müssen. Folglich muss die Branche sich stets neue »Geschäftsmodelle« einfallen lassen und »Produktinnovationen« am laufenden Band kreieren.
    Beginnen wir mit einigen Produkten. Da gibt es zum Beispiel ABCP.

ABCP (asset backed commercial papers)
    Tamara Kröll ist eine sehr erfolgreiche Finanzmaklerin. Sie beobachtet regelmäßig die verschiedenen Kreditkonditionen der Banken. Auf der Internetseite einer Bank liest sie an einem bestimmten Tag folgende Angebote:
    • 4 Jahre Laufzeit: 9 Prozent p.a. Zinsen
    • 1 Jahr Laufzeit: 8 Prozent p.a. Zinsen
    Meist ist es so; kurzfristige Kredite sind günstiger als langfristige. Man spricht dann von einer »normalen Zinsstruktur«. Wer länger auf die Rückzahlung seines Kredites warten muss, geht höhere Risiken ein: Die Inflation könnte bis zur Fälligkeit des überlassenen Geldes das Kapital aufgezehrt haben, der Schuldner längst pleite sein – und so weiter.
    Als gewiefte Finanzmaklerin baut Tamara Kröll die Zinsdifferenz zu einem Geschäftsmodell aus. Sie kennt viele Leute, die Geld benötigen. Da ist zum Beispiel Peter Kreuer, Inhaber einer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher