Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder
Autoren: Peter Berling
Vom Netzwerk:
nach, »doch laß hören, was geschah dann?«
»Ich, Richard van de Bov –.«, hatte er gerade begonnen,
als die Stimme des Emirs schon wieder dazwischen fuhr:
»So geht das nicht –.«
Er hielt sich an Rik. »Wenn du ›ich‹ sagst, dann denke
ich, der Leser, daß der Schreiber da –.«, er wies mit dem
Daumen auf den gesenkten Kopf des Marius, »von sich
spricht. Also entweder ist der aufnehmende Skribent fähig,
den Fluß deiner Erzählung in die dritte Person umzusetzen
– oder, lieber Freund, du unterziehst dich selbst der Mühe,
von dir als solche zu berichten, als wärst du kein anderer
als der unbeteiligte Chronist.«
Rik ging in sich, lange. »Das ist mir zwar Neuland, aber
es birgt auch die Möglichkeit, mich tatsächlich wie ein
merkwürdiger Käfer durch den Sand krabbeln zu sehen.«
»Nimm Dir ein erhabeneres Tier zum Vorbild, den
Löwen vielleicht-.«
Der Emir wollte seinen Spott auch nicht verbergen. »Mit
geschwellter Brust trabt der König der Wüste durch das
liebliche Land der Christen, durchschwimmt ihre
reißenden Flüsse –.«
»– friert sich die Pfoten ab in den eisigen Höhen der
Gebirge, die Ihr nicht kennt«, ging Rik auf den heiteren
Ton ein, »verbrennt sie sich an Feuern, die auch mir, ihm,
dem Knaben Richard, fremd waren, trampelt durch – ich
hab’s: Ein Ochse ist diesem jungen Bovenkamp
angemessen!«
»Das Bild hast du gewählt, mir lag es fern, dich ob
deines Namens Herkunft zu verspotten!«
»Ich belächelte mehr seine Torheit, blindlings vorwärts
zu stürmen – bis er dann plötzlich vor einem Wellen
schlagenden Gewässer stand, das salzig schmeckte. Noch
nie hatte der Ochs soviel Wasser auf einmal gesehen – und
schwimmen konnte er auch nicht –.«
»So schnell komm’ ich nicht mit!« meldete sich da
vorwurfsvoll der schwitzende Franziskaner zu Wort.
Sie mußten beide lachen, sie hatten den Schreiber völlig
vergessen.
»Ich laß euch jetzt allein.«
Dem Emir lag daran, endlich mit Tinte auf Pergament
die Szenen in die Hand zu bekommen, um die seine
Vorstellungskraft seit Jahren vergeblich ihre Kreise zog.
Er blieb entgegen seiner Ankündigung jedoch abwartend
in der Tür stehen.

Im Wald von Farlot
Bericht des Rik van de Bovenkamp
    Der verwirrte Stephan, der Hirtenjunge, stolperte den
Hang hinunter, direkt unseren müden Gäulen vor die Hufe.
Unser Anführer war Karl Ripke, ein ungeschlachter,
baumlanger Kerl mit kahlgeschorenem Schädel. Seine mit
Totenkopf und Drachenfratzen wild bemalten nackten
Arme müssen den schmächtigen Stephan noch mehr in
Angst und Schrecken versetzt haben, denn als der Capitán
den Knaben nach dem Weg zur nahen Stadt Bordàs fragte,
schaute der sich ängstlich um nach seiner Herde. Die war
aber nicht zu sehen, wahrscheinlich hatte er gar keine, da
war nur der grüne Wiesenhang, voller bunter
Frühlingsblumen. Dankbar, bereitwillig und umständlich
beschrieb er uns den Weg, der sich durch das Tal
schlängelte, samt allen Abzweigungen, Stegen und
Brücken, die wir zu beachten oder zu vermeiden hätten. Es
gäbe zwar einen wesentlich kürzeren Pfad, der führe durch
den Wald von Farlot, der sich vor uns erhob. Doch der sei
gefährlich, »denn dort im dunklen Forst –.«
    Ripke verlachte roh den furchtsamen Hirten, und wir
fielen in die Lache ein. So kam Stephan nicht dazu, von
dem Gelichter zu berichten, das dort im Dickicht haust,
und wir setzten unseren Weg ohne ein Wort des Dankes
fort.
    Stephan kniet am Straßenrand nieder zum Dankesgebet
und fragt den gütigen Heiland, wohin er pilgern soll, um
sein Gelübde zu erfüllen. Statt Jesus antwortet eine
Stimme über ihm: »Du sollst nach Jerusalem ziehen!«
    Erschrocken dreht sich Stephan um und sieht den Ritter,
den er für Sankt Georg hält, und dahinter seine
Schafsherde wieder weiß, braun und schwarz gescheckt
auf dem Wiesengrund. Stotternd wagt er den Einwand:
»Und wie gelangen wir über das tiefe Meer?«
    Sankt Georg stößt ungehalten seine Lanze auf: »Folge
du nur dem Befehl!«
Betroffen starrt der Hirtenjunge auf die Stelle im
Erdreich, in das sich der Schaft der Lanze gebohrt hat –
ein kleiner Quell sprudelt dort empor. »Das Meer wird
sich für dich teilen, so daß du und alle, die dir folgen,
trockenen Fußes das Ziel erreichen werden –.«
Der Ritter zieht die Lanze an sich, der Quell versiegt. »–
So sie standhaft und fest im Glauben!« fügt er ermahnend
hinzu und ist auf der Stelle entschwunden.
    »Du
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher