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Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder
Autoren: Peter Berling
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entfuhr es Marius
verschmitzt.
»Ihr redet gefälligst nur, wenn Ihr gefragt seid!
Schreiben sollt Ihr hingegen alles, was ich Euch sagen
werde –.«
Marius hatte bereits Pergament und Feder aus seiner
Umhängetasche gekramt, und auch das Schreibpult hatte
er schon entdeckt. »Ich notiere also jedes Eurer Worte,
hoher Herr. Laßt mich nur wissen, welches am Anfang
stehen soll.«
Rik verlor die Geduld. »Ich werde Euch diktieren –.«
»Soll ich das schon dazunehmen?«
Er tauchte die Feder in das mitgeführte Fäßchen.

aus der Niederschrift von Mahdia
Im Wald von Farlot
Bericht des Rik van de Bovenkamp
    Es war im Jahr 609 seit der Hedschra, also nach unserer
Zeitrechnung im Jahre des Herrn 1212, als sich im Süden
des Landes der Franken der Krieg gegen die abtrünnigen
Ketzer zugunsten der Kirche Roms entschied. Damit
bestand für die Krone Frankreichs kein Grund mehr,
weiterhin die angeworbenen Söldnerheere im besiegten
Okzitanien zu unterhalten. Wir, die wir aus Deutschland
unter die Fahnen des Grafen von Montfort geeilt waren,
bekamen unseren letzten Sold ausbezahlt mit der barschen
Aufforderung, uns ohne Verzug heimzubegeben.
    Da man auf unseren Waffendienst nicht länger
angewiesen, war auch die Wegzehrung recht karg
bemessen. So zogen wir knapp am Beutel, mit knurrendem
Magen quer durch das Land der Krone, die uns so wenig
Dank wußte. Auch von der Bevölkerung durften wir kein
Mitgefühl erwarten, sie verschloß vor uns ihre Tore und
Scheuern. Bis ins Loiret hatten wir uns bereits geschleppt,
eine reiche und blühende Gegend am Flußlauf der Loire,
deren Bürger so hart im Herzen waren wie uns vor Hunger
weich in den Knien. Doch ausgerechnet dort widerfuhren
uns äußerst seltsame Begebenheiten, die man für
Halluzinationen halten mag, die ich jedenfalls weder
begriff noch damals sonderlich ernstnahm. Erst viel später
wurde mir klar, daß es die beginnende Verkettung von
Ereignissen war, die mein Leben entscheidend in eine
andere Bahn lenkte und mich schließlich an das Horn von
Iffriqia warf.
    Von einem Hügel aus beobachtet ein einzelner Ritter
hoch zu Roß das sich vor ihm ausbreitende Land. In der
Ferne nähert sich schleppend ein kleiner Trupp
Kriegsvolks – kaum, daß sie sich auf den Beinen halten
können. Doch nicht diese abgekämpften Soldaten wirken
fremd in der lieblichen Landschaft, den grünen Talhängen
und dunklen Waldstücken des Loiret, sondern der einsame
Ritter. Von hoher Gestalt, in schönster Turnierrüstung
samt langer Lanze verharrt er unbeweglich, das Visier
seines Helmes geschlossen.
    Zu Füßen des Unbekannten weidet ein Hirtenjunge
namens Stephan seine Schafherde auf dem abfallenden
Hang. Als er die sich nähernden Soldaten erblickt, fällt er
in Angst und Schrecken auf die Knie und fleht den
Heiland um Schutz an für seine Herde. Er verspricht ihm
jede Art von Pilgerfahrt, wohin der Herr Jesus auch
wünsche, wenn nur die ihm anvertraute Herde verschont
bleibt – die Schafherde wird grün wie das Gras der Wiese,
auf der sie weidet! Stephan bleibt keine Zeit, dem Herrn
für das Wunder zu danken, denn die vorbeiziehenden
fremden Krieger haben den Hirtenjungen entdeckt – allein
inmitten der Wiese kniend – und winken ihn herrisch zu
sich…
    »Rik! Rik, wach auf!« tönte die Stimme des Emirs halb
besorgt, doch mehr noch belustigt. »Wie willst du davon
wissen?!« ermahnte Kazar Al-Mansur den Freund sanft,
wie man einem Schlafwandler begegnet. »Mir geht es um
einen Bericht aus der Wirklichkeit des Geschehens, nicht
um Mutmaßungen!«
    Rik schaute ihn an, als würde er tatsächlich aus einem
Traum erwachen. »Es entspricht aber genau dem Bild –.«,
tastete er sich vor, »das ich immer vor Augen hatte, von
dem ich lange nicht wußte, wer es in mein Hirn gepflanzt
    -.«, fuhr er nachdenklich fort ohne den Emir
anzuschauen, »– jetzt, wo Ihr mich treibt, wieder
einzutauchen in das Erinnern, sehe ich diesen verlorenen
Söldnerhaufen plötzlich vor mir – ganz am Rande erkenne
ich mich selbst, als einen von diesen Soldaten!«
    »Jemand hat dir später, als der Hirtenjunge schon zur
Legende geworden war, davon erzählt?«
Kazar behandelte Rik rücksichtsvoll wie einen
Fieberkranken, doch gerade das reizte den zum
Widerspruch.
»Ich werde Euch beweisen, daß ich leibhaftig dabei war,
denn sonst wüßte ich nicht so genau, wie die Geschichte
weitergeht!«
»Tagträumer, Rik, sind selten einsichtig«, gab Kazar
lächelnd
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