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Das Kommando

Das Kommando

Titel: Das Kommando
Autoren: Vince Flynn
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seines inzwischen aufgeklappten Palm Pilot.
    »Bedauerlicherweise nein.« David behandelte LeClair stets mit großem Respekt und gebührender Zurückhaltung. Diesen Zerberus vor der Tür des Prinzen musste man bei Laune halten.
    »Sie werden auf jeden Fall eine Weile warten müssen, bis Seine Hoheit aufwacht. Die letzten Gäste haben erst nach Sonnenaufgang ihre Kabine aufgesucht.«
    David schob sich die Sonnenbrille auf die Stirn und warf einen prüfenden Blick auf seine Rolex. Viertel nach neun. »Devon, es tut mir wirklich Leid, aber das geht nicht. Seine Hoheit wollte mich heute sehen, dabei hatte ich ehrlich gesagt gar keine Zeit.« Er beugte sich vor und fuhr mit gesenkter Stimme fort: »Ich kann es mir nicht leisten, den ganzen Tag herumzusitzen und darauf zu warten, dass er seinen Rausch ausschläft.«
    Der schmale Franzose klappte den Rechner zu und sah David nachdenklich durch seine ovalen Brillengläser an. »Das wird ihm nicht gefallen.«
    »Das ist mir klar. Die Schuld für die frühe Störung dürfen Sie getrost auf mich schieben.« David merkte, dass LeClair unentschlossen war. »Wenn Sie wollen, wecke ich ihn selbst. Auf keinen Fall kann ich es mir leisten, den ganzen Tag mit Warten zu vergeuden.« Rasch musterte ihn LeClair von Kopf bis Fuß und sah dann zu Zhong hinüber, der den Kopf schüttelte. Es war unübersehbar, dass der Mann, dessen Aufgabe es war, den Prinzen zu beschützen, diesen Besucher unter keinen Umständen unangekündigt ins Allerheiligste eintreten lassen würde, denn David war ein Mann mit vielen Talenten.
    Als sich David zum Gehen wandte, sagte der stets tüchtige LeClair: »Ich werde sehen, was ich tun kann. Möchten Sie inzwischen eine Kleinigkeit essen?«
    »Gern.«
    LeClair wies nach oben. »Ich werde Ihnen auf dem hinteren Sonnendeck ein Frühstück servieren lassen.« Mit einem kurzen Nicken wandte er sich ab und verschwand im Inneren der Yacht. David und Zhong blieben allein zurück. Beide standen unbehaglich schweigend da: der Attentäter und der Leibwächter.

04
    Eine kleine Tischlampe war die einzige Lichtquelle im großen Eckbüro des Gebäudes. Es war nach zehn Uhr abends, und bis auf einige wenige waren die dort beschäftigten tausende von Angestellten und Beamten nach Hause gegangen. Die schwarz gekleideten Sicherheitsleute patrouillierten auf den Gängen und in den Waldstücken draußen, wie sie es das ganze Jahr hindurch Tag für Tag vierundzwanzig Stunden lang taten. Der Schutz von Staatsgeheimnissen vertrug keine Feiertage.
    Für die Frau, deren Aufgabe es war, im Dienst einer der bekanntesten Organisationen der Welt solche Geheimnisse zu bewahren und dafür zu sorgen, dass die ihrer Gegenspieler enthüllt wurden, war das Ganze ein endloser Kreislauf von Misstrauen. Gerade an diesem Abend hatte sie eine böse Vorahnung, während sie den Blick über die im Dunkeln liegende Umgebung des großen Bürokomplexes schweifen ließ. Die Nacht war hereingebrochen, und wieder war ein Tag zu Ende gegangen, der neue Sorgen gebracht hatte. Sie saß in ihrem Büro im obersten Stock und beschäftigte sich in Gedanken mit einer Vielzahl möglicher Gefahren.
    Sie waren weder eingebildet noch übertrieben oder unbedeutend. Niemand war sich mehr als Irene Kennedy der tödlichen Bedrohung bewusst, die von ihren Gegnern ausging. Sie hatte sie mit eigenen Augen gesehen, hatte miterlebt, wie in den vergangenen dreißig Jahren die Springflut des Fanatismus angeschwollen war und sich immer näher auf die Küsten Amerikas zuwälzte, so unausweichlich wie ein Unwetter, das immer unheilvoller wurde. Wie einst Churchill hatte sie angesichts der wachsenden Gefahr vergeblich ihre warnende Stimme erhoben, hatte tauben Ohren gepredigt.
    Die Menschen, denen sie Rechenschaft schuldete, kümmerten sich mit unendlich größerem Elan um Aufgaben, wie sie die Politik einer im Frieden lebenden Demokratie mit sich bringt. Niemand war bereit, einer Bedrohung geradezu apokalyptischen Ausmaßes entgegenzutreten oder auch nur davon hören zu wollen. Wichtiger waren diesen Menschen Fragen der Machtverteilung oder Überlegungen, wie sich der politische Gegner mittels wirklicher oder erfundener Skandale schwächen ließ. Manche warfen ihr sogar Panikmache vor, doch ließ sie sich durch solche Angriffe nicht von ihrer Richtung abbringen.
    Umso paradoxer war es, dass eine ganze Anzahl eben jener Senatoren und Kongressabgeordneten, die sie als Kassandra abgestempelt hatten, jetzt ihren Rücktritt verlangten. Sie
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