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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens
Autoren: Guy Gavriel Kay
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weder gemacht noch gefunden, sondern es war ein gut austariertes Fahrzeug, das mit ganzem Stolz gebaut worden war, nichts Besseres hätte er sich wünschen können. Und so konnte er sich auch ohne Mühe vorstellen, dass sie nicht gerade von Taerlindel, sondern von Daniloth selbst abgefahren waren, dass sie nach Westen und jenseits des Westens segelten, bis zu jenem Platz, den der Weber einzig und allein für die Kinder des Lichts bestimmt hatte.
    Er wusste, dass das merkwürdige Gedanken waren, geboren aus der Sonne und dem Meer. Für diese letzte Reise war er noch nicht bereit. Er hatte einen Racheeid geschworen, der ihn an diese Frau im Boot, an Fionavar und an den Krieg gegen Maugrim band. Er hatte sein Lied noch nicht gehört.
    Er wusste nicht … und niemand wusste … die bittere Wahrheit. Prydwen war gerade in See gestochen. Sie war noch zwei Nächte und einen Morgen vom Klang der Gesänge im Meer entfernt, von jenem Ort, wo die Meersterne von Liranan nicht schienen und seit dem Bael Rangat nicht geschienen hatten. Auf Befehl des Seelenverkäufers.
    Als in dieser ersten Nacht die Dunkelheit hereinbrach, lenkte Brendel das kleine Fahrzeug zur Sandküste im Westen von Aeven und dem Llychlynmoor und zog es an Land, als die ersten Sterne am sanften Abend erschienen. Mit den Vorräten, die der Großkönig ihnen mitgegeben hatte, schlugen sie ein Lager auf und nahmen eine Abendmahlzeit zu sich. Später breitete er dann für sie beide je eine Ruhematte aus, und sie lagen eng nebeneinander zwischen dem Wasser und den Wäldern. Wohlweislich entzündete er kein Feuer, er verbrannte nicht einmal angeschwemmtes Treibholz aus Pendaran. Sie brauchten es ja auch nicht. Es war eine wundervolle Sommernacht, von Kevin Laine geschaffen. Als die Nacht tiefer wurde und die Sterne heller, sprachen sie über ihn. Leise sprachen sie über ihn, und leise sprachen sie auch über den Aufbruch des nächsten Morgens, sprachen davon, wo sie am nächsten Abend an Land gehen würden. Brendel blickte in den Nachthimmel, pries ihn und sprach zu ihr von der Schönheit und dem Frieden von Daniloth, und er klagte, dass der Glanz der Sterne dort so trübe geworden sei, seit Lathen Nebelwirker zur Verteidigung seines Volkes ihre Heimat zum Schattenland gemacht hatte.
    Danach schwiegen sie. Als der Mond aufstieg, kehrte eine gemeinsame Erinnerung zu ihnen zurück. Nebeneinander waren sie damals unter dem Himmel gelegen. Bist du unsterblich? hatte sie gefragt, bevor sie ins Reich des Schlafes hinübertrieb.
    Nein, Lady, hatte er geantwortet, und er hatte sie eine Zeitlang beobachtet, bevor er selbst mit seinen Brüdern und Schwestern einschlief … um dann unter Wölfen, Svart Alfar und der roten Sterblichkeit in Gegenwart Galadans, des Wolfsfürsten der Andain, wieder aufzuwachen.
    Dunkle Gedanken waren es, Schweigen, das für den quecksilbrigen Führer des Kestrelsiegels zu schwer war. Von neuem erhob er seine Stimme, um sie wie ein geliebtes Kind in den Schlaf zu singen. Er sang von Seefahrern, das war ein sehr altes Lied, dann eines seiner eigenen Lieder von belaubten Ulmen und Silvain, die im Frühling blühten. Und als sich ihr Atem verlangsamte, brachte er sie mit jenen Worten zur Ruhe, die immer das letzte Lied einer Nacht bildeten: Ra Termaines Klage für alle, die verloren waren.
    Als er zu Ende kam, schlief sie. Er aber blieb wach und hörte der Brandung zu, die sich im Lauf der Gezeiten langsam entfernte. Nie wieder würde er einschlafen, solange sie unter seiner Obhut wäre, niemals wieder. Die ganze Nacht blieb er wach, er wachte über sie.
     
    Es gab auch andere, die wachten und beobachteten. Sie kamen von den dunklen Ausläufern von Pendaran: Es waren Augen, die nicht freundlich blickten, aber auch nicht feindselig, denn die beiden, die da auf dem Sand lagen, hatten den Wald nicht betreten, noch hatten sie das Holz des Waldes verbrannt. Aber sie waren sehr nahe, und deshalb wurden sie genau beobachtet, denn Pendaran wachte über seine Grenzen und nährte seinen langen Hass.
    Auch ihre Gespräche wurden mitgehört, wie leise ihre Stimmen auch sein mochten, denn die lauschenden Ohren waren nicht menschlich und konnten die Sprache noch am Ende des unausgesprochenen Gedankens erkennen. Auf diese Weise wurden auch ihre Namen bekannt. Und dann tönte ein trommelartiger Klang durch jenen Teil des Waldes, denn die beiden hatten ihr Ziel genannt, und jener Ort war für die geschaffen worden, die sie am meisten geliebt und deren Verlust sie am
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