Das Kind des Schattens
der Schlacht am Adein, der Ankunft der Lios und Oweins am Himmel. Vom Seelenverkäufer auf dem Meer und der Zerstörung des Zauberkessels in Cader Sedat, von Lancelot in der Totenkammer, den Paraiko in Kath Meigol und ihrem letzten Kanior. (Auf der anderen Seite des Raumes saß Ruana neben Kimberly und lauschte schweigend, ohne eine Gefühlsregung zu zeigen.)
Ra-Tenniel setzte seinen Gesang immer weiter fort. Er nahm alles in sein Lied auf und brachte es unter den farbigen Glasfenstern der Großen Halle wieder zum Leben. Er sang von Jennifer und Brendel am Anor Lisen, von Kimberly mit dem Baelrath am Calor Diman, von Lancelot, der im Heiligen Hain kämpfte, und Amairgens Geisterschiff, das vor tausend Jahren am Sennettstrand vorbeisegelte.
Und dann berichtete Ra-Tenniel in Farben von Kummer und Freude von Bael Andarien selbst: Von Diarmuids Kampf mit Uathach, den er bei Sonnenuntergang tötete, um dann selbst zu sterben. Von Tabor und seinem schimmernden Reittier, das aufstieg, um dem Drachen Maugrims zu begegnen, von Schlacht und Tod auf einer dürren Ebene. Und dann von einem einsamen und erschreckten Kind, das sich ganz fern am Ort des Bösen befand (und er sang davon in seiner goldenen Stimme), von Darien, der das Licht wählte und Rakoth Maugrim tötete.
Dave weinte. Sein Herz tat ihm weh bei all der Herrlichkeit und all dem Schmerz, als Ra-Tenniel schließlich zum Ende seines Liedes kam: zu Galadan und Oweins Horn, zu Finn dan Shahar, der vom Himmel fiel, so dass Ruana die Wilde Jagd binden konnte, und zu allerletzt zu Arthur, Lancelot und Guinevere, die voller Glück auf einem Meer von dannen segelten, das immer höher zu steigen schien, bis es die Sterne erreichte.
Die Tränen der Lebenden flossen reichlich in Paras Derval in jener Nacht, als sie sich an die Toten und die Taten der Toten erinnerten.
Aber zum größten Teil hatte die Festwoche aus Lachen und Freude, aus fröhlichen Dingen und Wein bestanden … Weißwein von der Südfeste, Rotwein von Gwen Ystrat … aus hellen Tagen unter einem blauen Himmel, die mit Aktivität vollgepfropft waren, und auch durchgefeierten Nächten in der Großen Halle. Danach war Dave jenseits der Zelte der Dalrei, außerhalb der Mauern der Stadt mit seinen beiden Brüdern an seiner Seite spazieren gegangen, und sie hatten in die strahlenden Sterne geblickt.
Aber um das Problem, das ihn beschäftigte, zu lösen, musste Dave allein sein, und so machte er ‚sich schließlich am letzten Tag der Festwoche auf seinem schwarzen Lieblingspferd davon. Er schlang sich Oweins Horn um den Hals, es hing jetzt an einer neuen Lederkordel, und ritt nach Nordwesten, um eines zu tun und möglichst auch noch etwas anderes zu lösen.
Es war ein Weg, den er eines Abends in der Kälte des winterlichen Schnees schon einmal eingeschlagen hatte, als Kim mit ihrem Feuer die Wilde Jagd erweckte und er sie mit dem Horn herbeibeschwor.
Jetzt war es Sommer, Spätsommer, der sich dem Herbst zuneigte. Der Morgen war kühl und klar, über ihm sangen die Vögel. Bald würden sich die Blätter rot, gold und braun färben.
Er erreichte eine Wegkrümmung und sah unter sich im Tal den winzigen juwelenartigen See. Er ritt an dem hohen Bergrücken vorbei und bemerkte weit unten das leere Cottage. Er erinnerte sich an das letzte Mal, als sie hier vorbeigezogen waren. Zwei kleine Jungen waren hinter dem Cottage hervorgekommen und hatten zu ihnen heraufgeblickt. Zwei Jungen waren es gewesen, und beide waren nun tot. Ihren beiden Taten war es zu verdanken, dass der Friede dieses Morgens möglich wurde.
Er schüttelte nachdenklich den Kopf, ritt weiter in Richtung Nordwesten und lenkte sein Pferd zwischen Rhoden und der Nordfeste an den Feldern vorbei, die gerade erst abgeerntet worden waren. Auf beiden Seiten lagen Farmhäuser verstreut. Einige Menschen sahen ihn vorbeireiten und winkten ihm zu. Er grüßte zurück.
Dann überquerte er um Mittag die hohe Straße des Großkönigtums und wusste, dass er jetzt sehr nahe war. Wenige Minuten später kam er an den Rand des Waldes von Pendaran, sah den gegabelten Baum und dann die Höhle. Genau wie zuvor lag jetzt wieder ein riesiger Stein vor ihr, und Dave wusste, wer dort in der Dunkelheit schlafend lag. Er stieg ab, nahm das Horn in die Hand und ging ein wenig in den Wald hinein. Das Licht war durchbrochen und gefleckt, die Blätter rauschten über seinem Kopf, aber diesmal hatte er keine Angst. Es war anders als in jener Nacht, als er Flidais getroffen
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