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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens
Autoren: Guy Gavriel Kay
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hatte, den Übergang zu wagen. Der tiefere Grund aber lag darin, was er am Sommerbaum erlebt hatte, dort war er zu dem geworden, der mit Göttern sprechen konnte, vor dem sie sich verbeugten. Er war anders als die anderen. Und selbst jetzt, als der Krieg vorüber war, blieb er auf seinem einsamen Weg.
    Andererseits gab es tatsächlich Menschen, um die er sich sorgte und die er vermissen würde. Er versuchte, mit jedem von ihnen in diesen Tagen ein wenig Zeit zu verbringen.
    Eines Morgens ging er allein zu einem Geschäft, am Ende der Amboss-Straße, das er kannte, es lag in der Nähe eines Parks, wo nun die Kinder von Paras Derval wieder spielten, wenn auch nicht das Ta’Kiena. Er erinnerte sich sehr gut an den Eingang des Geschäfts, obwohl es damals Winter und Nacht gewesen war. Das erste Mal hatte sich Jennifer von ihm hierher bringen lassen, es war in der Nacht, als Darien geboren wurde. Und in einer anderen Nacht, nachdem Kim sie von Stonehenge nach Fionavar zurückgeschickt hatte, war er ohne Mantel hierher gekommen und hatte trotz der kalten Winterwinde nicht gefroren. Aus der Hitze des schwarzen Ebers, wo eine Frau gestorben war, um sein Leben zu retten, hatte er seine Schritte hierher gelenkt, nur um zu sehen, dass das Tor weit offen stand und der Schnee sich in den Gewölben des Ladens auftürmte.
    Und in dem kalten Raum im ersten Stock schaukelte eine leere Wiege hin und her. Er konnte noch immer den Schrecken spüren, den er in jenem Augenblick empfunden hatte.
    Aber jetzt war es Sommer, und der Schrecken war vorüber: Er war letztlich von dem Kind beendet worden, das in diesem Haus geboren wurde, das in dieser Wiege gelegen hatte. Paul betrat den Laden. Die Besucher drängten sich in ihm, denn es war die Zeit des Festes, und Paras Derval war voll von Menschen. Trotzdem erkannte ihn Vae sofort und dann auch Shahar. Sie überließen es den beiden Angestellten, die Kunden, die ihre Wollsachen kaufen wollten, zu bedienen, und rührten Paul ins Obergeschoß.
    Es gab im Grunde sehr wenig, was er ihnen berichten konnte. Die Spuren des Kummers waren trotz der Monate, die vergangen waren, noch immer in ihr Antlitz wie eingeätzt. Shahar trauerte um Finn, der in seinen Armen gestorben war. Aber Paul wusste, dass Vae um ihre beiden Söhne, auch um Dari, das blauäugige Kind, trauerte, das sie aufgezogen und vom Augenblick seiner Geburt an geliebt hatte. Er fragte sich, wie Jennifer so genau gewusst hatte, wen sie darum bitten sollte, ihr Kind aufzuziehen und Liebe zu lehren.
    Aileron hatte Shahar mehrere Posten und Ehrenstellungen im Palast angeboten, aber der ruhige Handwerker hatte es vorgezogen, zu seinem Laden und seinem Handwerk zurückzukehren. Paul blickte auf sie beide und fragte sich, ob sie noch jung genug waren, um ein weiteres Kind zu zeugen. Er fragte sich auch, ob sie nach all diesen Geschehnissen dazu noch imstande wären. Er hoffte es.
    Er teilte ihnen mit, dass er Fionavar verlassen würde und dass er gekommen sei, um sich zu verabschieden. Sie unterhielten sich, aßen ein wenig Gebäck, das Vae gemacht hatte, aber dann rief einer der Angestellten nach oben, fragte nach dem Preis eines Tuchballens, und Shahar musste nach unten gehen. Paul und Vae folgten ihm. Im Laden gab sie ihm ein wenig unbeholfen einen Schal für den nächsten Herbst. Und nun bemerkte er, dass er keine Ahnung hatte, welche Jahreszeit jetzt gerade zu Hause war. Er nahm den Schal, küsste sie auf die Wange und verließ sie dann.
     
    Am nächsten Tag ritt er mit dem neuen Herzog von Seresh nach Südwesten. Niavin war in Andarien von einem berittenen Urgach getötet worden. Der neue Herzog an Pauls Seite sah genauso aus wie immer, groß, tüchtig, braunhaarig, und der Haken seiner gebrochenen Nase stand aus einem treuherzigen Gesicht hervor. Paul war sehr erfreut, dass Aileron Col in diesen Rang erhoben hatte.
    Es war ein ruhiger Ritt. Col war schon immer sehr schweigsam gewesen. Nur Erron, Carde oder der lärmende angeberische Tegid hatten ihn zum Lachen bringen können, das in seinem Wesen verborgen lag. Sie und Diarmuid, der diesen vaterlosen Knaben aus Raehndel ausgewählt und ihn zu seiner rechten Hand gemacht hatte.
    Ein Teil ihres Weges führte sie an Stätten vorbei, durch die sie vor so langer Zeit zusammen mit Diar galoppiert waren … es war jene heimliche Reise, als sie den Saerenfluß überquerten, um nach Cathal einzudringen.
    Als die Straße sich gabelte und der eine Weg zur Südfeste führte, ritten sie
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