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Das Kind der Priesterin

Das Kind der Priesterin

Titel: Das Kind der Priesterin
Autoren: Joan D. Vinge
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noch mehr davon auf den Helm prasselten und das Getöse in den Lautsprechern, durchsetzt mit unbändigem Freudengeschrei, hundertfach verstärkten. Blitze tanzten über die kupferfarbene Ebene; schwacher Donner riß die Wolken auf. Der gefrierende Regen kam hernieder, rieb das Land blank und spülte die Sünden und Sorgen der Anwesenden weg, einschließlich der Ethan Rings. Für eine kurze Zeitspanne wurde dieser Tag zu allem, was ich mir von ihm erwünscht hatte. Ich hatte den Regen und all die bittersüßen Erinnerungen, die mir mit der Frau meiner Träume garantiert worden waren … Meine Erinnerungen …
    Ich konzentrierte mich auf die Unterhaltung, die um mich herum über mich stattfand: Die Frau meiner Träume, die auf den Regen und meine Gefühle nicht achtete, war damit beschäftigt, ihren Freunden von meiner kriminellen Vergangenheit als Beweis für meine Nützlichkeit zu erzählen. Sie hatten die Sprechanlage nicht eingeschaltet. Ich hoffte, daß sie, da sie die Gelegenheit schon nicht berührte, dieses geräuschvolle Fest zumindest aus Sicherheitsgründen gewählt hatte. Ich fing an, im Geist die Löcher in ihrem Bericht zu stopfen, denn bevor sie sich nicht entschlossen hatten, mich entweder zu satteln oder zu erschießen, konnte ich kaum etwas anderes machen.
    Die offizielle Geschichte, die sie alle glaubten, lautete, daß ein gewisser Michael Yarrow, Versuchskaninchen der Regierung, ein Dieb und Saboteur war. Daß er zeitweilig das gesamte computergesteuerte Verteidigungsnetz der Vereinigten Staaten – gemeinhin als Big Brother bekannt – außer Kraft gesetzt und ein unglaublich teures, unglaublich weit entwickeltes Teilstück der Versuchsanlage gestohlen hatte. Und das alles stimmte.
    Aber da waren auch mildernde Umstände. Michael Yarrow war ein ungebildeter, unbedeutender Laboratoriumsassistent in einem Forschungszentrum der Regierung gewesen. Er hatte sich freiwillig bereit erklärt, sich von einem Chirurgen eine Steckdose in die Wirbelsäule einpflanzen zu lassen, damit seine Vorgesetzten einen Computer an sein Nervensystem anschließen und feststellen konnten, was passierte. Nicht irgendeinen Computer, sondern den ETHANAC 500, einen der schnellsten, die je gebaut worden waren; einen, in dem die ausgeklügeltste Software Verwendung fand, die je zusammengestellt und ausdrücklich zu dem Zweck programmiert worden war, in andere Computersysteme einzudringen und sie zu zerstören. Ein Supercomputer, entwickelt, um mit einem überlegenen menschlichen Gehirn verbunden zu werden; über die Gründe sprach die Regierung nicht. Wie sich jedoch herausstellte, war das System selbst so ausgeklügelt, daß es einen eigenen potentiellen Verstand besaß – eine Manifestation der Fähigkeiten der Programmierer, die ihre eigenen Erwartungen weit übertrafen. Und eine, mit der sie eigentlich gar nicht gerechnet hatten.
    Weil sie nie beabsichtigt hatten, die Vereinigung dauerhaft zu gestalten, als sie die Kopplung zum erstenmal an Yarrow ausprobierten. Sie hatten lediglich sicherstellen wollen, daß die Kopplung ihrem menschlichen Agens keinen Schlag, keine Lobotomie und keinen unbeabsichtigten 500-Volt-Schock verpaßte. Sie hatten ein Testsubjekt haben wollen, das niemand vermissen würde, das nie etwas Erwähnenswertes geleistet hatte, weder im guten noch im schlechten Sinne – Qualifikationen also, die Yarrow in ausreichendem Maße erbrachte. Er hatte absolut nichts zu verlieren und war von der ganzen Aufmerksamkeit sogar noch geschmeichelt.
    Und so war der schicksalhafte Augenblick endlich gekommen, da sie den Stecker in seine Wirbelsäule gesteckt hatten und Mensch und Maschine zum erstenmal zusammentrafen. ETHANAC war sich plötzlich all der Dinge bewußt geworden, die er nicht war, die seine Programmierer ihm nie eingespeist hatten, des Potentials, das sie unausgefüllt gelassen hatten … der Möglichkeit, dies alles aus dem unseligen menschlichen Gehirn zu nehmen, zu dem man ihm Zugang verschafft hatte. Yarrow hatte einen ganzen Tag lang mit offenem Mund und glasigen Augen dagelegen, während sein Verstand und das erwachende Empfindungsvermögen des Computers sich ein Handgemenge lieferten. Und am Ende dieser Zeit, herausgeschmolzen aus dem Staub von Erschöpfung und Zugeständnis, stand die Geburt eines Stars: Ethan Ring … ich.
    Die Forscher hätten mich damals auf der Stelle vernichten sollen; aber sie ließen Yarrow und ETHANAC zusammen, aus Neugier. Und so erfuhren die beiden argwöhnischen
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