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Das Kind der Priesterin

Das Kind der Priesterin

Titel: Das Kind der Priesterin
Autoren: Joan D. Vinge
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Gesicht gekommen war – wahrscheinlich den größten Mann, den ich je gesehen hatte –, mit einem gelehrtenhaft wirkenden grauen Schnauzbart und Koteletten. Er setzte sich neben Hanalore, die in den Winkel der Eckbank gerutscht war. Und darauf wartend, daß ich es ihr nachmachen würde, mit einem Mangel an Begeisterung, der meinem deutlich nahe kam, war der zweite Mann. Ein Mann, der der Bezeichnung „Hakennase“ eine neue Bedeutung gab. In seinem gemusterten Druckanzug erinnerte er mich an einen Papagei aus einem Buch, das ich als Kind einmal besessen hatte. Unter anderen Umständen hätte er mich vermutlich nostalgisch werden lassen. Ich rutschte widerwillig weiter, und er setzte sich.
    „Würde es Ihnen etwas ausmachen, den Kasten auf die Erde zu stellen?“ Aus seinem Ton ging hervor, daß es ihn nicht interessierte, ob es mir etwas ausmachte oder nicht. Er klopfte ungezwungen gegen mein Plastikhautskelett. Ich prüfte den Verschluß des Sicherheitsstöpsels, durch den hindurch ETHANACS Schnur in meinen Anzug lief. „Freund, es mag ja sein, daß es Ihnen nichts ausmacht, auf Ihrem Gehirn zu sitzen; aber ich, nein, ich stelle meins nicht auf die Erde.“
    Es dauerte eine Weile, bis das registriert war und drei Augenpaare mich mit unterschiedlichen Zensurgraden aufspießten. Mein Freund, der Papagei, sagte: „Nein. Absolut nicht, Hana. Mit so einem Menschen kann ich nicht arbeiten. Wir können ihm unter keinen Umständen trauen …“ Ich drängte ihn im Geiste weiter voran. „Er ist ein Krimineller! Wir sollten ihn bei den Amerikanern anzeigen und es damit sein Bewenden haben lassen.“
    Mehr wie der Drang zu töten.
    „Basil.“ Hana hob die Stimme über den allgemeinen Lärm in unseren Helmen. „Du kannst es ihm nicht verübeln, wenn er ein bißchen spitz ist.“ Sie senkte sie wieder. „Schließlich erpressen wir den Mann doch.“ Sie blickte mich wieder an. „Dies sind meine Kollegen-Cephas Ntebe und Basil Kraus.“
    Reimt sich auf „Laus“.
    „Cephas, Basil, das ist …“ Sie sah weg.
    „Michael Ethan Yarrow Ring“, sagten wir.
    Sie sahen verwirrt aus. „,Name ist Schall und Rauch’, Yarrow?“ fragte Ntebe.
    „Wie der alte Wie-hieß-er-doch-Gleich einst sagte.“ Ich lehnte mich gegen die Brüstung und blickte zu dem langen Abhang hinüber und an ihm hinunter, bis zu der Stelle am Fuße des Vulkans, wo er jäh in einen Steilhang überging. „Nur, daß ich nicht Michael Yarrow bin. Ich bin Ethan Ring.“
    „Sie leben einfach nur im Körper eines anderen.“ Hana deutete spöttisch auf meine verborgenen Fingerabdrücke.
    Ich nickte. „Genau.“
    „Dieser Mann ist unmöglich!“ brauste Kraus auf.
    „Wirklich, Hana“, meinte Ntebe, „ich finde einfach, wir sollten keine Außenstehenden hineinziehen …“
    „Hört mal.“ Sie zeigte auf ihn. „Inez hat mich mit euch beiden hergeschickt, damit jemand mit ein wenig gesundem Menschenverstand dabei ist. Und ich habe das Gefühl, daß wir ihn brauchen …“
    Ich stützte mich auf einen Ellbogen, hörte mir ihr Gespräch an und starrte grübelnd in den Himmel. Ein Raumschiff brach gerade durch die Wolken und erschreckte mich. Ich verfolgte sein langsames Einschweben auf der Landebahn des Elysium und stellte mir vor, wie es wäre, wenn ich die Fähigkeit hätte, mich von hier nach dort zu wünschen, um mit dem ersten verfügbaren Flug vom Mars zu verduften … Mit einem Ruck kehrte ich in die Wirklichkeit zurück, weil mir einfiel, daß ich mit der Landung auf dem Mars unbeabsichtigt dafür gesorgt hatte, ihn nie wieder zu verlassen – zumindest nicht aus freien Stücken. Die schiere Komplexität der Computernetze, die den zislunaren Raum einhüllten – für die Raumfahrt, die Sicherheit und Gott weiß, was noch –, hatte es mir erleichtert, ein winziges Loch hineinzuschneiden und hindurchzuschlüpfen, ohne daß es jemandem aufgefallen wäre. Aber hier auf dem Mars ist das Leben einfacher und weniger kompliziert; und zu meiner größten Bestürzung hatte ich herausgefunden, daß die hiesigen Raumfahrtverhältnisse, die genauso unkompliziert waren, ihn gewissermaßen zu einer Kleinstadt machten: Wenn man versuchte, sich in irgend etwas einzumischen, dann fiel das garantiert immer jemandem auf. Ich war in einer Holzkiste auf den Mars gekommen und würde ihn nur in Ketten wieder verlassen können.
    Zwei Hagelkörner schmolzen auf der Glasscheibe über meinem nach oben gewandten Gesicht und zerflossen zu Blüten. Ich blinzelte, als mir
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