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Das Kind, Das Nicht Fragte

Das Kind, Das Nicht Fragte

Titel: Das Kind, Das Nicht Fragte
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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werden die historisch gewachsenen Raumanlagen der Stadt mit den sich historisch verändernden Erlebnisformen ihrer Bewohner (über mehrere Generationen) in Verbindung gebracht. Gelingt mir das, erzähle ich, wie bestimmte Räume entstanden und gewachsen sind und wie ihre Bewohner
sie sprechend und handelnd begreifen und verändern.

    Themen, auf die ich im Großkapitel über die alte Oberstadt eingehe, sind zum Beispiel: Verzweigtes Gehen (die Wege der älteren Bewohner)/ Vespa-Fahrten in labyrinthischem Gelände (die Wege der jüngeren Bewohner)/ Touristisches Gehen (historische Schauplätze und Gehwege)/ Gespräche auf den Gassen (Öffentliche Themen, Debatten, die Gasse als Zeitung)/ Stundenchroniken (was geschieht wann und wo während eines Tages/ einer Woche/ eines Monats)/ Hausstrukturen (Anlage der Häuser, die Nutzung der Zimmer und ihre Gegenstände, familiäre und soziale Räume)/ Das Landgut der Signora Volpi (Entrücktheit, agrarische Umgebung, die Vogelperspektive der Monologe)/ Der kleine Bauernmarkt neben dem Kastell (Ernährung/ Essen und Trinken)/ Das Haus des Nobelpreisträgers (Projektionen des Dichters, die Rollen des Dichters, das Haus als Dichterthron über der Stadt)/ Das Kastell (Der Raum als Ereignis, Feste und Feiern, Typologie eines Rückzugsorts, Ausblicke in die Umgebung, Metaphorik eines Großbaus der Vergangenheit).

    Solche Themen werden jeweils zunächst summarisch behandelt und anhand von vielen konkreten Beobachtungen und Details entwickelt. Danach aber blende ich zu einzelnen Bewohnern über und gebe, knapp und aufs Wesentliche beschränkt, Ausschnitte aus ihren Erzählungen wieder. Diese Erzählungen sind die besonderen Filetstücke meiner Arbeit. Ich stelle sie zunächst unkommentiert vor und widme mich ihnen dann intensiv, indem ich ihre Besonderheiten skizziere und deutlich
mache, was an Verborgenem oder an leicht zu Übersehendem an ihnen erkennbar wird.

    Ich beginne also jeweils mit den leuchtenden, schmucken Oberflächen der städtischen Räume, betrachte dann ihre Bewohner, bringe sie zum Sprechen und dringe dann ein in die Tiefenschichten der Bewusstseinräume und psychischen Keller. (Meine Arbeit ist Raumforschung, ein Verhältnis zur Zeit entsteht ganz nebenbei. Dieser Ansatz entspricht meinen Beobachtungen zum historischen Blick: Er wird überbewertet, denn er ist meist zu hektisch, zu nervös, zu selektiv und zu sehr auf die Beobachtung von scheinbar elementaren »historischen Veränderungen« aus.)
    Das Hauptstück meiner Arbeit ist natürlich das zweite Großkapitel, in dem es um das Zentrum, den langen Corso, den Domplatz und den Dom selber geht. Hier untersuche ich Mandlicas berühmte Cafés und Bars ( welche Dolci werden wo angeboten? Wie antworten die Innenausstattungen auf das Angebot? Welche Bewohner orientieren sich wohin? / etc.), seine Läden und Geschäfte ( welche Gespräche mit welchen Themen werden in ihnen von wem geführt? ), die Spaziergänge auf dem Corso, die Parks und Grünanlagen, die öffentlichen Gebäude, die Restaurants, den Domplatz, den Dom selber ( die Dom-Gespräche der älteren und jüngeren Frauen / Das geheime Sprechen Der Dom als Begegnungsort Strategien der Blicke etc. ) sowie die Wohngebiete mit ihren sehr unterschiedlichen sozialen Gruppen.

    Zum Kapitel Unterstadt/Hafen fehlt mir noch viel Material, da ich mit den jugendlichen Bewohnern Mandlicas bisher nur auf eher flüchtige Weise in Kontakt gekommen bin. Diese Leerstelle fülle ich jedoch gegenwärtig, indem mir Adriana Bonni entsprechende Gesprächspartner vermittelt. Sie macht das erstaunlich geschickt und erfolgreich, und so habe ich mich bereits mit etwa zwanzig sowohl weiblichen als auch männlichen Jugendlichen in den Bars und Cafés des Hafengebietes getroffen. Mit einigen habe ich zunächst in kleinen Gruppen gesprochen, dann aber waren viele auch an einem Einzelgespräch interessiert. (Drei junge Frauen noch unter zwanzig habe ich auf das Kastell bestellt, mit vier jungen Männern habe ich in einem Gebäude des Rudervereins direkt im Hafengelände Gespräche geführt. Adriana Bonni hat übrigens mehrmals an unser gemeinsames Essen im Hafen erinnert, ich werde nicht darum herumkommen, dieses Angebot anzunehmen.)
    Wenn ich die bisher geleistete Arbeit überblicke, bin ich zufrieden. Ich habe in den dafür günstigen Jahreszeiten von Frühjahr und Sommer viele Gespräche geführt und daneben bereits reichlich Material für meine Studie gesammelt. Im Herbst und im Winter
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