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Scharfe Pranken

Scharfe Pranken

Titel: Scharfe Pranken
Autoren: G. A. Aiken
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Kapitel 1
    Das Gesicht knallte gegen das Sicherheitsglas, und Blut spritzte, als Knorpel zerquetscht und Knochen zertrümmert wurden.
    Ein Teil der Menge um sie herum grölte und johlte anerkennend, während der andere Teil missbilligend fauchte und knurrte, je nachdem, welches Team sie unterstützten. Blayne Thorpe war jedoch nicht in der Lage, das eine oder das andere zu tun. Stattdessen starrte sie nur mit offenem Mund auf den gigantischen Hybriden, der das arme, zerstörte Katzengesicht allein mithilfe seines Hockeyschlägers und seiner überwältigenden Größe immer wieder in das Glas rammte.
    Blayne hatte zwar gehört, dass er noch größer geworden war, seit sie ihn vor fast zehn Jahren zum letzten Mal gesehen hatte, sie hatte allerdings angenommen, dass die Leute von seiner Karriere gesprochen hatten, nicht von seiner Körpergröße.
    Was seine Karriere anging, so hatte sich der frühere Linksverteidiger in der Gestaltwandler-Bezirksliga irgendwo im Nirgendwo von Maine zu einem der besten Hockeyspieler entwickelt, den die Gestaltwandler-Profiliga je gesehen hatte. Bo »der Marodeur« Novikov war einer der ersten – und eine Zeit lang auch einer der einzigen  – Hybriden gewesen, die überhaupt je in einem Profiteam in irgendeiner Liga gespielt hatten. Zugegebenermaßen hatte ihm dabei die Tatsache geholfen, dass er im Gegensatz zu Blayne nicht zu den gefürchteteren – und, um ganz ehrlich zu sein, labileren – Hunde-Hybriden gehörte, sondern das Produkt einer eher seltenen Kreuzung zweier Arten war. Genauer gesagt: Er war ein Eisbär-Löwe. Oder, wie Blayne ihn insgeheim nannte, ein mächtiges Bären-Kätzchen. Sie fand diese Beschreibung viel niedlicher als die Bezeichnung Eisbär-Löwe. Es kam jedoch so selten vor, dass sich Bären mit Katzen paarten – noch vor über fünfundzwanzig Jahren hatte man überhaupt noch nie davon gehört –, dass es für ihre Kinder offiziell keine niedlichen Spitznamen wie Coydog für Kreuzungen zwischen Kojoten und Hunden oder Liger und Töwe für Löwen-Tiger-Mischlinge gab.
    Das bedeutete jedoch nicht, dass Blayne Novikov als einen der Spitzenvertreter des Hybriden-Volkes betrachtete. Wie könnte sie auch? Er verkörperte alles , was sie im Sport verabscheute. Wo war die sportliche Fairness? Wo der Teamgeist? Wo die Loyalität?
    Nirgends.
    Innerhalb von zehn Jahren hatte sich der Marodeur zu einem der meistgehassten und gefürchteten Spieler sämtlicher Gestaltwandler-Ligen in den Vereinigten Staaten, Asien und dem größten Teil Europas entwickelt. In Russland und Schweden galt er hingegen nur als »tough – für einen Amerikaner«. Novikov wurde von den Fans ebenso bewundert wie gehasst und von seinen Gegnern und eigenen Teamkollegen gleichermaßen verabscheut. Bo Novikov hatte sich als Arschloch auf Schlittschuhen einen Namen gemacht – zumindest war das die treffendste Beschreibung, die Blayne einfiel. Wer sich Novikov in den Weg stellte, den brachte er entweder dazu, Platz zu machen, oder er pflügte ihn einfach über den Haufen. Wenn jemand seinen Puck hatte – und es war immer sein Puck –, fand er stets Mittel und Wege, ihn sich zurückzuholen, selbst wenn dies bleibende Schäden für seinen Gegner zur Folge hatte oder bedeutete, dass dieser das Laufen wieder neu erlernen musste. Nach allem, was Blayne gehört hatte, hatte Novikov nie ein freundliches Wort für irgendjemand, noch nicht einmal für die Bärenjungen und Welpen, die den Boden anbeteten, auf dem er ging.
    Nichts von alledem überraschte Blayne. Wie könnte es auch? Sie hatte den Kerl kennengelernt, als er neunzehn und noch ein gutes Stück kleiner gewesen war und in der Bezirksliga gespielt hatte. Tracey, eine Tigerin, die Blayne ungefähr so gern hatte, wie Blaynes beste Freundin Gwen sie verabscheute, hatte Novikov spielen sehen und sie förmlich angefleht, Gwen irgendwie dazu zu bringen, sie zu einem Training ihres Onkels einzuladen. Damals hatten die O’Neill-Männer das Eishockeyteam der Philly Furors in der Bezirksliga geleitet. Zwei von Gwens Onkeln waren die Manager, sechs ihrer Cousins entweder Trainer oder Spieler. Blayne war grundsätzlich zu allem eingeladen, was die O’Neills so trieben, Tracey hingegen konnte es nicht riskieren, einfach aufzutauchen, wenn ihr der Sinn danach stand. Nicht, wenn sie keine Lust hatte, sich bei Gwen und ihren Cousinen ein paar kräftige Tritte in den Hintern abzuholen. Blayne hatte zwar ein wenig bitten, betteln und quengeln müssen,
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