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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert
Autoren: Richard Morgan
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bärtigen Gesicht, das ihn dort oben überragte. Ein Schauder durchlief ihn. Er verzog das Gesicht und setzte Menkaraks Kopf einen Moment lang ab. Nahm die Fackel und befestigte sie an seinem Gürtel, wo sie zuvor gehangen hatte.
    »Mein Drachenmesser hast du nicht auch noch?«, fragte er das leere Düster.
    Es erfolgte keine Antwort.
    Er wusste auch nicht so recht, ob er eine hätte haben wollen.
Weiter durch die dunklen Kammern des Tempels. Schließlich begegnete er zwei panischen Bewaffneten, die sich eine einzige Fackel teilten. Sie blieben kurz vor ihm stehen und sahen ihn groß an.
    »Wie komme ich hier raus?«, fragte er sie.
    Ihre Blicke schweiften zu dem Kopf hinunter, den er in der linken Hand hielt und der jetzt um die Halswunde und den Mund herum von Staub bedeckt war.
    »Nicht ihn ansehen!«, brüllte Ringil. »Sagt mir einfach, wie ich hier rauskomme, verdammt noch mal!«
    »Aber, du, das ist Pash…« Der redseligere der beiden schluckte heftig. Zeigte mit der Fackel, die er in der Hand hielt. »Da entlang. Durch den Bogen, dann die Treppe links, dann in den Korridor mit den Basrelief-Mauern. Haupthalle, und raus. Aber, äh, an den Türen steht die gesegnete Wache.«
    »Ich rede mit denen.«
    Der andere Mann schüttelte benommen den Kopf. »Wir haben gehört, äh, da war … was ist da drin geschehen?«
    »Dunkle Energien«, erwiderte Ringil knapp. »Dämonische Kräfte. Die alten Götter sind durchgebrochen, und die Decke ist runtergekommen. Ich an eurer Stelle würde hier nicht mehr allzu lange herumhängen.«
    »Aber was ist mit den Sklaven?«, platzte der Mann heraus.
    »Die Sklaven, ja.« Ihm fielen weitere Bruchstücke der Geschichte des Drachentöters ein. Er fluchte unterdrückt. »Na ja, ihr geht wohl besser mal los und lasst alle raus, nicht wahr?«
    Der Mann, der als Erster das Wort ergriffen hatte, rümpfte die Nase. »Scheiß drauf! Die sind sowieso alle aus dem Norden. Von mir aus soll das verdammte Dach auf die runterplumpsen.«
    Ringil nahm den Rabenfreund von der Schulter und richtete ihn auf den Mann. Es fühlte sich merkwürdig mühelos an – der
Rabenfreund war leicht, aber so leicht nun auch wieder nicht. Er ließ sein Gesicht völlig ausdruckslos werden und legte etwas Befehlston in seine Stimme.
    »Ihr geht beide los und lasst die Sklaven hier raus, bevor ihr sonst was tut. Auf der Stelle. Ich stehe draußen am Vordereingang, und wenn ich eins von euren Gesichtern vor denen der Sklaven zu sehen bekomme, dann teilt ihr euch einen Beutesack mit meinem Freund Pashla hier. Kapiert?«
    Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatten sie es begriffen.
    Er sah ihnen nach, wie sie eilig in der Dunkelheit verschwanden, wartete, bis der Schein der Fackel verschwunden war, und ging dann weiter. Die Beschreibung, die sie ihm gegeben hatten, stimmte. Die Hauptportale standen einen vorsichtigen Spaltbreit offen und ließen die Dämmerung herein. Die gesegneten Wachmänner scharten sich zu beiden Seiten, die Waffen gezogen, und spähten nervös in die Dunkelheit. Bei seinem Auftauchen schraken sie auf und riefen ihn halbherzig an, aber am Ende bereiteten sie ihm kaum mehr Probleme als ihre Kollegen drinnen. Er erzählte ihnen dieselbe Geschichte und gab ihnen den Rat, sich fernzuhalten. Sie ließen ihn durch. Falls einer von ihnen Menkaraks Gesicht erkannte, das an seinem Knie schwang, so wollte ihn keiner deshalb zur Rede stellen.
    Wie versprochen stellte er sich in der frischen morgendlichen Luft an die Türen, bis die Sklaven allein oder zu zweit herauströpfelten. Junge Männer und Frauen, hastig in Decken und dünne Kleidung gehüllt, die Füße zumeist bloß, die Gesichter benommen über jeden Ausdruck hinaus, den man hätte lesen können. Gesichter aus dem Norden, jedes einzelne. Er sah sie im frühen Licht blinzeln und zittern, und er versuchte probeweise, ein Gefühl von Verwandtschaft mit ihnen zu entwickeln.

    Er spürte überhaupt nichts, was er hätte benennen können.
    Du bist nicht durch das dunkle Tor gegangen.
    Wirklich nicht?
    Dennoch unterband er ein paar Versuche der Wachmänner, über einige der hübscheren Frauen, über einige der noch entzückenderen Knaben herzufallen, und erzählte allen, dass es jetzt Schutzbefohlene des Palastes seien. Bald käme jemand, der sich um sie kümmern würde, also lasst die Finger von ihnen, verdammt! Die Phrase Schutzbefohlene des Palastes bedeutete ihnen eindeutig gar nichts, aber sie würden sich nicht mit diesem hageren,
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