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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert
Autoren: Richard Morgan
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sogar das verschwunden.
    Links von ihm fiel ein einzelner Steinblock aus der Decke und zersprang auf dem Boden. Steinsplitter stachen ihn auf die Wange.
    Er senkte den Rabenfreund.
    »Verschwindet«, sagte er müde. »Los, macht schon, verdammt, ihr beide! Bevor das ganze Gebäude einstürzt.«
    Irgendwo ächzte Mauerwerk, und Staub rieselte in der Düsternis herab. Die Dwendas sahen ihn reglos und mit offenem Mund an. Er spürte seinen Zorn auflodern und spucken wie eine feuchte Wachskerze.
    »Ich habe gesagt: geht!« Kein Triumph in der Stimme, nur eine tote, knirschende Wut. »Geh in die grauen Orte zurück und beweine deinen Bruder, Risgillen. Ich sag’s dir nicht noch mal. Ihr seid in dieser Welt unerwünscht. Niemand vermisst euch. Gib die Botschaft weiter. Wenn ich das nächste Mal einen Dwenda zu Gesicht bekomme, reiße ich ihm das beschissene Herz raus und fresse es, noch während es schlägt.«
    Die Echos seiner Stimme verhallten. Er ging an den Dwendas vorbei zu Menkarak. Risgillen rührte keinen Finger, ihn daran zu hindern. Atalmire sah aus, als stünde er wegen seines zerschmetterten Beins unter Schock. Die Augen des Hüters wurden groß beim Anblick Ringils, der drohend über ihm stand.
Er versuchte schwächlich, den Steinblock von seiner Brust zu schieben, und hustete viel Blut.
    »Sieh’s mal so«, meinte Ringil auf Thetannisch zu ihm. »Du bist sowieso ein toter Mann. Könntest dich daher ebenso gut nützlich machen.«
    Er hackte dem Hüter den Kopf ab. Er benötigte ein paar Hiebe, denn der Winkel war ungünstig. Nachdem der Blutschwall im Staub versickert war, kniete er hin und hob den Kopf beim schmierigen Haar hoch. Hängte sich den Rabenfreund über die Schulter. Drehte sich wieder zu den Dwendas um.
    »Das brauche ich«, sagte er unbestimmt und hob den Kopf zu einem Abschiedsgruß.
    Er sah sich nicht mehr um, aber er spürte den Blick ihrer leeren schwarzen Augen auf sich, bis er die Halle verlassen hatte.

46
    Er brauchte eine Weile, bis er hinausgefunden hatte. Der Tempel war groß und schlecht erleuchtet und die Architektur verwirrend, insbesondere durch die gewaltigen Brocken, die herabgestürzt waren. Der Art des Lichts, das durch die Löcher im Dach hereinsickerte, glaubte er zu entnehmen, dass es bis zur Morgendämmerung nicht mehr lang sein konnte. Aber hier unten war es nach wie vor so gut wie dunkel. Das Sehen strengte ihn an, der Versuch zu überlegen war noch schlimmer. In seinem Kopf herrschte ein einziges wildes Durcheinander, genau wie der Schutt, durch den er ging …
    Habe ich das alles angerichtet?
    … Er blieb in Bewegung, hartnäckig seinem Instinkt folgend und vorsichtig, wie er es in Jahren der Schlachten vervollkommnet hatte. Blitzlichtartige Erinnerungen, die er sich größtenteils lieber nicht so genau ansehen wollte, durchzuckten ihn.
    Rings umher quietschte der Tempel unheilvoll.
    Durch die Geschichte, die Egar ihm erzählt hatte, bekamen die Dinge eine unheimliche Vertrautheit, doch die Erinnerung war wenig nützlich. Aus den Glirsht-Figuren und der Galerie in der Haupthalle hatte er geschlossen, dass er in Afa’marag sein musste, aber er war nach wie vor leicht erschüttert, als er an einer gewaltigen Statue vorüberkam, die das Dach stützte –
eine südliche Darstellung Hoirans mit einem Pferdesattel auf der Schulter –, und begriff, dass der Drachentöter genau hier den Dwendas getrotzt hatte.
    Er blieb stehen und sah zu dem hoch aufragenden, bärtigen Gesicht unter der Decke auf, zu dem erhobenen rechten Arm, dem jetzt die Hand fehlte. Die Figur hatte nicht ganz die harte Würde des Hoirans mit seinen Stoßzähnen und Fängen, wie ihn der Norden kannte, aber Ähnlichkeiten ließen sich durchaus erkennen.
    Die zerschmetterten Überreste der Hand lagen nicht weit entfernt. Ihm fiel ein, was Egar ihm erzählt hatte: dass sie herabgefallen war und dem Kampf ein Ende bereitet hatte. Er betrachtete das Steinwerk genau und entdeckte auf einem gewaltigen Stück des Zeigefingers etwas Dunkles.
    Eine kiriathische Fackel.
    Sie stand aufrecht, als wäre sie gerade dort abgestellt worden, und das geschwungene Metallgehäuse der Flasche fing das schwache Licht ein und warf es zurück. Es gab sogar eine Lederschlinge, damit man sie am Gürtel befestigen konnte. Wenn das nicht die Fackel war, die er in der Zitadelle an Risgillen verloren hatte, dann war es eine ziemlich perfekte Kopie.
    Eine Weile lang starrte er sie an, dann hob er die Augen zu dem riesigen,
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