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Das kalte Schwert

Das kalte Schwert

Titel: Das kalte Schwert
Autoren: Richard Morgan
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mühsam, umkreiste sie, damit sie ihn in die Zange nehmen könnten.
    … bebte.
    Sein Blick schoss zu den Tragepfeilern unter der Galerie hin über. Etwas Graues kroch dort entlang, etwas wand sich und schlug peitschend um sich und …
    Er schüttelte den Dwenda ab, ließ sich zurückfallen und blockte Risgillens humpelnden Angriff von der Seite. Energie kreiste in ihm, es war ein Gefühl wie ein Achtel reinsten Krinzanz, das er zerkaut und heruntergeschluckt hatte, den Rest ins Zahnfleisch gerieben. Es betäubte ihn und befeuerte ihn gleichermaßen, es fuhr kreischend aus seinem Innern hoch, dieses
Ding, das er von den Feldern der weinenden Opfer draußen auf der kalten Sumpfebene mitgenommen hatte …
    Ich sehe, was die Akyia sah, Gil. Ich sehe, was du werden könntest, wenn du es nur zuließest.
    Der Junge oben auf dem Altar hatte sich aufgesetzt und streckte seine blutigen, aufgeschlitzten Arme in stummem Flehen vor. Für den Bruchteil einer Sekunde traf ihn Ringils Blick. Dann brach er seitlich zusammen, als ein weiteres Beben das Gebäude erschütterte. Er rollte vom Altar und fiel mit dem Gesicht in den Staub.
    Etwas Gezacktes und Schwarzes sprengte Ringils Schädel von innen auf.
    Scheiß, auf, sie, alle!
    Er legte den Kopf in den Nacken und heulte.
    Er spürte die kalte Legion aufsteigen, durch ihn hindurchfegen und hinausjagen. Es war wie das Versinken ins Herz eines brüllenden Malstroms. Ohne es recht zu wissen, streckte er die Hände aus, legte sie, die nicht seine eigenen waren, auf den Tempel rings umher. Er riss Stein und Mörtel auseinander, zersplitterte, brach heraus, atmete die Zerstörung ein wie die Dünste eines guten Weins. Er riss die Säulen unter Atalmire und Menkaraks Füßen auf der Galerie weg, sodass die beiden schreiend auf den Boden darunter fielen. Er katapultierte den blutgetränkten Altar mit solcher Kraft gegen die rückwärtige Mauer, dass er zersprang. Er riss behauene Steinblöcke von der Decke wie ein Zahnarzt, der einen faulen Zahn ausreißt – und ließ sie fallen, sodass sie am Tempelboden zerschellten. Er …
    Der dritte Dwenda schwang sich in dem Chaos ihm entgegen.
    Ringil schrie ihm ins Gesicht, riss ihm die Klinge aus der Hand, schleuderte die schimmernde Waffe durch die Halle. Der
Rabenfreund hob sich und schlug von der Seite zu. Ringil hackte durch die um sich schlagenden, abwehrenden Hände des Dwendas, als wären sie nicht vorhanden, trennte ihm in einem einzigen brüllenden Streich den Kopf von den Schultern. Blut spritzte aus dem offenen Hals – er hob den Kopf in der kurzen Fontäne, die entstand, er hob die Arme, als der Tempel sich rings umher selbst auseinander riss.
    Blut regnete herab.
    Blut bespritzte ihm das Gesicht. Blut tröpfelte auf die zusammengebissenen Zähne seines Grinsens. Er heulte die zerspringende Decke an, und dieses Geheul war schlimmer als jeder Laut, den Seethlaw jemals ausgestoßen hatte.
    Er senkte den Kopf und suchte nach Risgillen.
    Entdeckte sie. Sie hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Das Schwert hielt sie mit beiden Händen vor sich. Auf ihrem kalkweißen aldrainischen Gesicht war Blut, ein gezackter Riss auf ihrer Stirn. Er konnte sich nicht erinnern, sie dort erwischt zu haben. Hinter ihr kroch Atalmire umher, zog ein Bein nach sich, das gebrochen war und im falschen Winkel am Knie abstand. Dahinter lag Menkarak, halb vergraben unter dem Schutt. Ringil hob den Rabenfreund. Er brüllte sie an, sie alle, über das Getöse zerbrechenden, herabstürzenden Steins hinweg.
    Die beiden Dwendas starrten ihn an wie kleine Kinder, die sich der Wut eines betrunkenen Vaters gegenübersehen.
    »Diese Stadt«, so tobte er, sich kaum seiner Worte bewusst, »gehört mir! Ich stehe hier Wache! Ich bin das Tor! Wollt ihr diese Stadt einnehmen, so müsst ihr zunächst durch mich hindurch!«
    »Das kannst du nicht!«, kreischte Risgillen zurück. »Dazu hast du kein Recht! Du bist nicht durch das dunkle Tor gegangen.«
    »Wirklich nicht?« Er neigte den Kopf und spürte etwas in seinem
Hals knacken. Er beugte sich herab und sah sie an. Sah sie schaudernd zurückweichen. »Wirklich nicht, Risgillen?«
    Und plötzlich spürte er, wie etwas in ihm davonglitt.
    Mit einem Mal war er entleert.
    Die Hände, die er auf die Tempelsteine gelegt hatte, lockerten ihren Griff, begannen zu verblassen. Die kalte Legion brach wieder in sich zusammen, hüllte ihn ein wie ein eisiger Wind, ein hohes Pfeifen, ein Weinen über den Verlust, und dann war
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