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Das Känguru-Manifest

Das Känguru-Manifest

Titel: Das Känguru-Manifest
Autoren: Marc-Uwe Kling
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geschlagenen rechten Haken nicht ganz ausweichen. Das Känguru trifft ihn an der Seite, der Boxhandschuh glitscht aber ohne erkennbaren Effekt ab, und das Känguru fällt vornüber. Es schnappt nach Luft.
    »Schnack, schnack, schnack …«, macht der Pinguin Pinguingeräusche.
    Plötzlich tut er mir leid. Das Känguru senkt seine Boxhandschuhe.
    »Glaubst du, er will uns was sagen?«, frage ich.
    »Bestimmt hat er Angst …«, keucht das Känguru.
    »Wahrscheinlich denkt er: ›O Gott, o Gott! Kommunisten!‹«, sage ich.
    »Nein, nein!«, sagt das Känguru und rappelt sich schwer atmend auf. »Nur ich bin Kommunist, der Kollege hier ist Anarchist. Darauf legt er Wert.«
    Ich tippe mir grüßend an die Mütze und nicke dem Pinguin zu.
    »Wir sind Freunde bis zur Revolution«, sagt das Känguru.
    »Dann schlägt es mir den Kopf ein und errichtet seine Diktatur«, sage ich.
    »Die ist notwendig!«, ruft das Känguru. »Um die Revolution zu verteidigen!«
    »Ja!«, rufe ich. »Gegen das Volk!«
    »Gegen Spinner wie dich!«, ruft das Känguru. »Ihr habt noch nirgendwo erfolgreich Revolution gemacht!«
    »Nur weil ihr uns in den Rücken gefallen seid in Katalonien!«, rufe ich.
    »Noch nie wart ihr irgendwo an der Macht.«
    »Das wäre ja auch ein Widerspruch in sich«, sage ich. »Wer sagt: Hier herrscht Freiheit, der lügt, denn Freiheit herrscht nicht. Barack Obama.«
    »Chaoten!«, ruft das Känguru.
    »Faschist«, sage ich.
    »Selber Faschist!«, schreit das Känguru und schlägt mir einen linken Haken in die Niere. Ich halte mich mit der rechten Hand am Beutel des Kängurus fest und versuche, es mit dem linken Arm in den Schwitzkasten zu nehmen.
    »Nicht am Hals!«, ruft das Känguru. »Nicht am Hals!«
    Ein roter Boxhandschuh zischt knapp an meinem Gesicht vorbei.
    »Ey! Nicht auf die Nase!«, rufe ich. »Nicht auf die Nase!« Das Känguru schlägt mir mit seiner Linken immer wieder aufs Knie. Ich ziehe einen Baseballschläger aus seinem Beutel, da schwingt es seinen Schwanz und fegt mir die Füße weg. Ich falle, das Känguru rennt an der Wand hoch und setzt zu einem Wrestling Dunk an. Ich rolle zur Seite, und es landet voll auf seinem Beutel. Ich sehe meine Chance, rappel mich auf und beiße das Känguru ins Bein.
    »Aua!«, ruft das Känguru. »Spinnst du? Ich hab doch keine Tollwutimpfung!«
    Ich halte inne.
    »Wo ist der Pinguin?«, frage ich.
    Wir blicken uns um. Der Pinguin steht hinter seinem Türgitter und beobachtet uns verwundert. Er dreht sich um und wirft die Tür hinter sich zu.
    »Verdammt«, flucht das Känguru und dreht sich wie ein Roboter zu mir. »Er kannte unsere Schwachstelle.«
    »Er war uns immer einen Schritt, ein Watscheln voraus«, sage ich und betaste meine Nase.
    »Ach, scheiß der Hund drauf«, sagt das Känguru und geht in unsere Wohnung zurück. »Lass uns Das Krokodil und sein Nilpferd fertig kucken.«
    »Ich habe schon wieder Kopfschmerzen«, seufze ich.

»Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.« Albert Einstein
    »Habe ich dir eigentlich schon mein neuestes Gedicht vorgetragen?«, frage ich.
    Das Känguru lehnt sich gegen den Türrahmen und beginnt zu schnarchen.
    »Krass!«, ruft es. »Ich kann im Stehen einschlafen.«
    Ich räuspere mich.
    »Wenn ich ’ne Maschine baue,
    Eine riesengroße, blaue,
    mit Gehirn und pipapo,
    Touchscreen, WLAN, Gästeklo,
    die allen hilft und alles weiß,
    Sogar Grammatik und so’n Scheiß, …
    Und wenn die dann nicht funzt,
    Dann ist das Kunst.«
    Das Känguru läuft sinnend im Zimmer auf und ab.
    »Hm, hm«, sagt es, zieht eine Brille aus seinem Beutel und nimmt das Ende des Bügels nachdenklich in den Mund.
    »Wenn, wie Marx gesagt hat, die Kunst nicht der Spiegel ist, den man der Welt vorhält, sondern der Hammer, mit dem man sie verändert«, sagt es. »Was für eine Art Hammer war das?«
    »Ein ziemlich großer«, sage ich.
    »Zum Aufblasen«, sagt das Känguru.
    »Bunt«, sage ich.
    »Und er quietscht.«
    Das Känguru nimmt die Hornbrille aus seinem Mund und setzt sie auf. Sie hat keine Gläser.
    »Mit solchen Hämmern bräuchte man sehr lange, um das Kanzleramt zu demontieren.«
    »Vielleicht«, sage ich. »Aber schon der Versuch wäre große Kunst.«
    »Wie dem auch sei«, sagt das Känguru. »Ich bin dafür, dass wir jetzt erst mal den Bud-Spencer-Film von gestern fertigkucken.«
    »Das klingt vernünftig«, sage ich.
    Wir hängen beide die Füße über die Rückenlehne der Couch und lassen unsere Köpfe nach unten baumeln. Ich
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