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Das Känguru-Manifest

Das Känguru-Manifest

Titel: Das Känguru-Manifest
Autoren: Marc-Uwe Kling
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sind transparent. Allerdings nur von oben nach unten. Das Gebäude selbst wiederum liegt im Herzen der Stadt, und man kann aus den Büros auf die Stadt sehen, aus der Stadt aber nicht in die Büros.«
    »Hast du das auswendig gelernt, oder was?«, fragt Friedrich-Wilhelm.
    »Verzeiht, dass ich mich informiert habe, ihr Stümper«, sagt Gott.
    Das Känguru blickt sich um.
    »Weiß jemand, wohin wir müssen?«, fragt es flüsternd.
    »Ist das ein Scherz?«, flüstere ich aufgebracht zurück.
    »Ja«, flüstert das Känguru. »Das ist ein Scherz.«
    »Wir müssen ganz nach oben«, sagt Gott.
    Das Känguru hüpft auf den Turm zu. Dort angekommen gibt es wieder einen Code ein. Ich öffne die Tür und stehe einem Sicherheitsmann mit Maschinenpistole gegenüber.
    »Äh … also … ich kann das erklären«, sage ich. »Oder vielmehr das Beuteltier hier kann das erklären.«
    Der Sicherheitsmann sieht das Känguru, senkt die Waffe und sagt: »Comandante.«
    Das Känguru nickt grüßend.
    »Viel Spaß«, sagt der Mann und gibt den Weg frei. »Das Register ist ganz oben im Turm. Die Kameras im Gebäude haben alle seit kurzem eine Fehlfunktion …«
    »So ein Zufall aber auch«, sagt das Känguru.
    Mit einem Fahrstuhl fahren wir ganz nach oben. »Verfluchtverficktedreckskacke«, murmle ich, als sich die Türen öffnen. Noch nie habe ich so viel Elektronik auf einem Haufen gesehen.
    »Gib mir die Axt«, sage ich. Der Messias blickt fragend zum Känguru.
    »Geduld noch«, sagt das Känguru und holt eine DVD aus seinem Beutel. »Um sicherzugehen, dass das ganze System wirklich unwiderruflich unbrauchbar gemacht wird, werde ich erst mal auf dem Hauptserver Windows Vista installieren.«
    S T U N D E N S P Ä T E R
    Das Känguru nickt, und der Messias reicht mir die Axt.
    »Ich gebe euch eure bekackten Ausnahmefehler!«, schreie ich und hacke drauflos.
    Als ich wieder zu mir komme, tanzt das Känguru mit einem großen Magneten durch die Trümmer.
    »Das erinnert mich an ein Gleichnis«, sagt der Messias. »Ein Affe hatte zwei Bananen, aber drei beste Freunde. Oder sagen wir einen besten und zwei gute Freunde. Jedenfalls mochten die alle Bananen, außer einer. Und der Affe selber fand Bananen okay, aber halt nicht jeden Tag. Genau.«
    »Ich sehe den Zusammenhang nicht«, sagt das Känguru.
    »Welchen Zusammenhang?«, fragt der Messias.
    Friedrich-Wilhelm verteilt Wasserpistolen, die mit dem Inhalt abgelaufener Blutkonserven gefüllt sind, und wir spritzen rätselhafte Nachrichten an die Wand.
    »Und das Bier, das aus dem Abgrund aufsteigt, wird sie überwinden und wird sie töten!«, schreibt der Messias.
    »Die Knospe im Schlaf-raum wieder laenger beg-luecken!«, schreibe ich.
    »Es jibt sone und solche, und dann jibt es noch janz andre, aba dit sind die Schlimmstn«, schreibt Friedrich-Wilhelm.
    »Hier könnte Ihre Werbung stehen«, schreibt Gott.
    »BioBrause TM – gibt’s jetzt überall«, schreibt Otto.
    »›Je öfter eine Dummheit wiederholt wird, desto mehr bekommt sie den Anschein der Klugheit‹«, schreibt das Känguru. »Lehman Brothers.«
    Der Sicherheitsmann taucht noch einmal auf. Er schleppt eine schwere Kiste.
    »Ah! Die Schneemaschine!«, sagt das Känguru. Es stellt die Klimaanlage auf null Grad, packt die Schneemaschine aus und nimmt sie in Betrieb.
    »Gut«, sagt das Känguru. »Jetzt vertauschen wir noch die Nummern an allen Büros, dann verschwindet jeder von uns auf einem anderen Weg. Wir sehen uns bei der Vollversammlung.«
    »Die schmutzige Bombe«, sage ich.
    »Ah ja«, sagt das Känguru und zieht die Bombe aus seinem Beutel. »Mach du das …«
    Die anderen steigen in den Aufzug und sind kurz darauf verschwunden. Ich nehme die schmutzige Bombe und lege sie in die Mitte des Raumes. Ich aktiviere die Zeitschaltuhr. Es macht sofort klick.
    »Das ist bestimmt kein gutes Zeichen«, murmle ich.
    Da verteilen sich auch schon mehr DNA-Spuren, als das Labor verarbeiten kann, auf mir. Ich schließe die Augen und seufze. Sehr tief. Ich öffne die Augen wieder. Wie langsamer Regen sinken überall im Zimmer totes Gewebe, Haare, Hautschuppen und Bartstoppeln zu den Zigarettenstummeln in den Schnee.
    Als ich nach Hause komme, sitzt das Känguru im Lotus auf dem Boden unseres Wohnzimmers und meditiert. Seine Pfoten hat es nach vorne gestreckt, und die Fingerspitzen zeigen zur Decke. Es öffnet die Augen.
    »Du hast da ’nen Kippenstummel im Haar hängen«, sagt es.
    »Ich geh duschen«, sage ich.

Seit geraumer Zeit
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